§ 38. Untergang der Hohenstaufen. Das Interregnum. 103
in Hohenschwangau und an den lieblichen Ufern des Bodensees auf¬
gewachsen uud hatte seinen Geist frühzeitig mit Erinnerungen an die
blendende Größe seiner Ahnen genährt. Die von Karl von Anjou
bedrängten Ghibellmen Italiens (Ghibellinen oder Waiblinger, Anhänger
des Kaisers, Guelfen oder Welfen, Anhänger des Papstes) wandten sich
an Konradin mit der Bitte, seine Erblande den Zerstörern zu entreißen
und den Glanz seines Hauses wieder herzustellen. Obwohl ihn seine
Mutter Elisabeth, eine Tochter des bayerischen Herzogs Otto II.
des Erlauchten, vor den Reizen Italiens warnte, zog der erst 16-
jährige Jüngling mit einem kleinen Heere über die Alpen. In Nord-
uud Mittelitalien schlugen ihm die Herzen der Ghibellinen begeistert
entgegen. Nachdem er aber Apulien betreten hatte, brach das Ver¬
hängnis über ihn herein. Bei Tagliacozza kam es 1268 zu einem
Zusammenstoß mit Karl von Anjou. Kouradins Heer wurde ge¬
sprengt; er selbst floh ans Meer, um auf einem Schiffe zu entrinnen,
wurde hier aber aufgegriffen und feinem Feinde ausgeliefert. Karl
von Anjou ließ ihn zum Tode verurteilen. Auf dem Marktplatz zu
Neapel, „inmitten aller Herrlichkeit feines angestammten Reiches",
bestieg er das Blutgerüst und empfing den Todesstreich (1268). So
kläglich endete das berühmte Geschlecht der Hohenstaufen, das einst an
Macht, Glanz und Bildung alle anderen überstrahlt hatte.
14 Jahre später, 1282, wurden infolge einer Vvrschwörung
unter den Ghibellinen alle Franzosen auf Sizilien in der sog. Sizi-
lianischen Vesper (Erhebung der Sizilianer bei dem Glockengeläute
zur Vesper) erschlagen und ihre Anhänger aus dem Lande verjagt.
Sizilien erhielt Manfreds Schwiegersohn Peter vonAragonien.
3. Auf Konrads IV. Tod folgte die Zeit des sog. Interregnums
oder des Zwifchenreiches, von inter, zwischen, und regnum, Reich
(1254—1273). Unter den fortwährenden Kämpfen zwischen Papst
und Kaiser, bei den Zerwürfnissen im Reiche und der Untreue so vieler
Fürsten war das kaiserliche Ansehen sehr gesunken und seine Macht
zu einem Schatten geworden. Während die Kaiserkrone früher als
Zeichen der höchsten irdischen Majestät galt, wurde sie jetzt mehr als
Bürde, denn als Würde betrachtet und empfunden. Dies offenbarte
sich nach dem Tode Wilhelms vonHolland. Niemand von den
deutschen Fürsten richtete einen begehrlichen Blick nach der Katfetwürde.
So kam es, daß die Krone — so sehr war aller nationaler Sinn er¬
storben — auswärtigen Regenten angeboten wurde. Ein Teil der
Reichsfürsten wählte Richard vonKornwallis, einen Bruder des 2 Äönige-
englischen Königs, ein anderer König Alphons von Kastilien,
einen Enkel des Hohenstaufen Philipp von Schwaben. Beide nahmen
die Wahl an; aber ersterer kam nur hin und wieder mit reichen Geld¬
spenden für feine Anhänger nach Deutschland und letzterer ließ sich