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sättig den Papst um Hilfe an. Er that zwar Heinrich abermals in den
Bann und sprach das Reich Rudolf zu. Allein sein Bannfluch verhallte
diesmal wirkungslos; man erkannte deutlich, daß die Königsmacht
in der Liebe und Anhänglichkeit des Volkes ihre beste Stütze hat.
Durch viele deutsche und lombardische Bischöfe ließ Heinrich den
Papst absetzen und einen neuen wählen. Seinen Gegenkönig bekämpfte
er in offener Feldschlacht. Zwar verlor sein Heer die Schlacht, aber
Rudolf wurde in derselben tödlich verwundet. Als man ihm auf seinem
Sterbebette die int Kampfe verlorene Hand vorhielt, rief er reuevoll
aus: „Das ist die Hand, mit der ich einst meinem Kaiser Treue schwur!"
Erschüttert erkannte das Volk in Rudolfs Tod ein Gottesurteil.
Nunmehr zog Heinrich über die Alpen und empfing von dem
neugewählten Papste die Kaiserkrone. Seinen Feind belagerte er in der
Engelsburg und würde ihn gefangen genommen haben, wenn nicht
die Normannen zu seinem Schutze herbeigeeilt wären. Gregor floh nach
dem Süden Italiens und starb bald darauf mit den Worten: „Ich
habe die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehaßt, darum
sterbe ich in der Verbannung." Sein Bestreben, die Macht der römischen
Kirche über alle irdische Gewalt zu erheben, wurde von seinen Nach¬
folgern aufgenommen. Im Streite um die Investitur führte unter der
Regierung des folgenden Kaisers ein Vergleich die ersehnte Ruhe herbei.
7. Heinrichs Ende. Auch die Nachfolger Gregors thaten Heinrich in
den Bann. Seine Gegner scheuten sich sogar nicht, die Söhne gegen
den Vater aufzuhetzen und zur Empörung anzutreiben. Das war
der größte Kummer seines Lebens. Auf der Flucht vor seinem jüngeren
Sohne Heinrich starb er in Lüttich (1106). Noch im Grabe verfolgte
ihn der Haß der Päpste. Erst fünf Jahre nach seinem Tode wurde
seine Leiche in geweihter Erde, und zwar im Dom zu Speier, beigesetzt.
XIII. Der erste Kreuzzug.
1. Ursachen. Seit den ältesten Zeiten trieb der Glaube viele
fromme Gemüter an, nach Jerusalem zu wallfahrten, um am Grabe
des Erlösers zu beten. Sie meinten, Vergebung ihrer Sünden zu er¬
langen, wenn sie an der heiligen Stätte in inbrünstigem Gebet knieten.
Die Araber störten die frommen Pilger nicht in ihrer Andacht, auch
ließen sie die Christen, welche in Jerusalem wohnten, unbehelligt.
Ihnen galt Jerusalem auch als heilige Stadt; dazu fanden sie ihren
Vorteil bei den Wallfahrten der Christen. Als aber gegen Ende des
elften Jahrhunderts die Türken sich des heiligen Landes bemächtigten,