11. Schützenfest (um das Jahr 1500). Frohe Volksfeste liebte der
Deutsche, bis der Jammer des dreißigjährigen Krieges dem behaglichen
lüohlstande und zugleich dem Frohsinn ein Ende machte. Zu den Haupt-
ereigmssen des bürgerlichen Lebens gehörten die Schützenfeste. Zu gro-
ßen derartigen Festen lud die eine Stadt oft viele andere ein; in kleine¬
rem Umfange aber hielt fast jede für sich alljährlich ein Festschießen ab,
toie es unser Bild darstellt, vom Schießplatze in festlichem Zuge unter
dem Donner der neuerfundenen Böller heimkehrend, schreitet an der
Spitze der Schützengilde stattlich der neue Schützenkönig. (Eine Knabe
trägt ihm die Armbrust samt dem Spanngerät, ein anderer die rvohlge-
troffene Scheibe, ein dritter den errungenen (Ehrenpreis, einen prächtigen
Silberbecher. Banner und Halskette, die Zeichen der neuen Würde, trägt
der König selbst. Grüßend schwingt er das Barett mit der geschlitzten
Krempe gegen das befreundete ritterliche (Ehepaar. Den Zug eröffnen
die Stat)tpfeifer; neben dem Baßhorn, der Zinke und der Trommel sehen
wir den beliebten Dudelsack, hinter den Musikanten belustigt die Zu¬
schauer durch allerlei Sprünge der Pritschenmeister mit federgeschmücktem
Spitzhute und mit Schellen an ärmeln und Halsband. Auf dem Schieß-
platze hat er feine Holzpritsche oft unsanft auf Unbotmäßige oder allzu
übermütige sausen lassen; niemand darf das dem spaßigen Hüter der
ernsten Ordnung übelnehmen. Später, beim wein, weiß er manch witziges
Wort. Die andern Schützen mit dem Gildenfahnen folgen ihrem Könige,
und lustig dreht sich hinten das junge Volk im Tanze.
12. Deutsche Stadt im 16. Jahrhundert. Unser Bild zeigt im hinter-
gründe die romanische Hauptkirche der Stadt, den Dom. Rechts daneben
erhebt sich ein Turm, wie ihn die Stadttore zu tragen pflegten. Die
Wohnhäuser, zum Teil mit Erkern geziert, kehren der Straße ihre
Giebel zu. Die (Erker der Steingebäude tragen gotische Türmchen. Das
Schnitzwerk der holzhäuser wird oft durch lebhafte Farben hervorgehoben.
Über den freien Platz zieht ein schwerbeladener Lastwagen an einem
kunstreichen, mehrarmigen Röhrbrunnen vorüber, dessen Wasser sich
in ein großes, mit einem „Gänsemännchen" geschmücktes Becken er-
gießt. Reisige mit langen Piken geben dem (Befährt das Geleite; sie
haben auf der unfichern Landstraße die teure Ladung geschützt. Links
schreiten uns Vertreter des Alten entgegen: ein Patrizier in pelzver¬
brämtem ITTantel und ein TlTönch. Auf der rechten Seite dagegen, wo
im offenen Laden ein Goldschmied seine Ware feilhält, steht der prote-
stantische Prediger im Gespräche mit einem angesehenen Kaufherrn und
dessen Gattin. Zwei Landsknechte mit Federbarett, geschlitztem wams
und breiten Schuhen, auch ein kräftiger Handwerksmeister, dessen wort
gewiß in seiner Zunft etwas gilt, hören dem „Buchführer" zu. der ihnen
vielleicht das neue Testament in deutscher Sprache anbietet oder einen
schönen Holzschnitt Meister Dürers. An dem Geländer aber hinter ihm
hängt das am meisten begehrte Bild; es stellt Luther dar, den Mann
des Jahrhunderts.