IV. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
1. Kailer Rudolf II.
Gustav Droysen, Geschichte der Gegenreformation.
(Berlin, Baumgärtels Historischer Verlags
mit 24 Jahren folgte — im November 1576 — Rudolf II. feinem
kaiserlichen Vater auf beut deutschen Thron. Länger als ein Menschen-
alter Hat er ihn inne gehabt: ein Zeitraum, mehr als hinreichend für einen
Herrfcher um feinem Reiche den Stempel feiner Eigenart aufzudrücken. Andere
Monarchen haben durch ihre Taten ihr Reich emporgehoben oder herunterge¬
bracht: Rudolfs Regierung nmtbe durch ihre Tatenlosigkeit verhängnisvoll.
Während sich fein Vater und Großvater von dem Charakter ihres Stammes
durch stark germanische Zutaten weit entfernt hatten, zeigte Rudolf von all
den Gliedern seines Hauses, die in den Zeiten der Gegenreformation über
Deutschland regiert haben, am schärfsten das habsburgifche Gepräge. Vor allem
hatte sich die melancholische Gemütsanlage, der „spanische Trübsinn", auf ihn
vererbt. Man erinnert sich, daß er der Urenkel von Juana der Wahnsinnigen,
der Großneffe von Karl V. ist, dessen umdüstertes Gemüt sich am Ende seines
Lebens in die Einsamkeit des Klosters einspann. Ader auch von dem Groß-
vater und Vater waren nicht die erfreulichen Seiten auf ihn übergegangen,
weder Ferdinands heiterer und milder Sinti noch Maximilians rührige Leut¬
seligkeit, wohl aber die Trübungen ihrer Charaktere, die Tatenscheu des einen,
die Empfindsamkeit und das zögernde Schwanken des andern.
Wie verhängnisvoll mußte es bei solcher Naturanlage werden, daß Maxi-
milian den Sohn in den Jahren, die für die Ausbildung des Charakters die
entscheidenden sind, nach Madrid an den Hof feines Vetters Philipp II. tat.
All die Eindrücke, vor denen der prinzliche Knabe sorgsam hätte behütet werden
müssen, drangen nun unausrottbar in fein bildsames Gemüt. Am Madrider
Hofe lernte Rudolf auch jene Formen des monarchischen Wesens kennen, die
in Philipp II. ihren Schöpfer und Vollender hatten: die steife Förmlichkeit, die