Full text: Vaterländische Geschichtsbilder

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Als vollendetes Muster desselben galt die vom Kaiser Justinian in 
Konstantinopel erbaute Kirche der göttlichen Weisheit (Sophia). 
Unter dem Einflüsse der Goten, Langobarden und Franken im 
Abendlande entfaltete sich hieraus ein neuer, der sogenannte romanische 
Stil. In diesem vervollkommnete sich die flache Decke der Basilika zu 
einem hohen Gewölbe, der Chor bildete sich aus, und der Turm, der 
früher als Taufkapelle und Glockeuständer von der Kirche gewöhnlich 
getrennt stand, trat jetzt in die Kirche selbst ein und wurde höher; im 
übrigen wurden noch die altrömischen Rundbogen uud Säuleu bei- 
behalten. 
Dieser romanische Baustil erhielt bald mancherlei Abänderungen. 
Der Rundbogen wurde zum Spitzbogen veredelt, die runde und eben ab- 
geschnittene Säule in den freien Palmenwuchs des Pfeilers, die starre 
Wand iu euie kunstreiche Gliederung von Strebepfeilern, Pfeilerbündeln um- 
gebildet, die Thüreu wurden erweitert und verschönert, die Fenster erhöht und 
mit reicher Glasmalerei ausgeschmückt, die Türme höher gezogen und verbiet- 
fältigt. Diese neue Baukunst stand in der Mitte des 13. Jahrhunderts in ihrer 
schönsten Blüte. Man hat dieselbe wohl die gotische genannt, richtiger 
aber hätte man sie die deutsche nennen sollen. Denn ihre edelste und 
erhabenste Gestalt ist von deutschen Meistern ausgegangen. Diese 
bildeten damals zur Ausführung so bedeutender und kunstreicher Bauten 
unter dem Namen „Baubrüder" mit ihren Gesellen eine besondere Zunft, 
hatten in allen bedeutenden Städten, zumal in Straßburg, Wien und 
Köln, ihre „Hütten" oder Bausitze mit besonderen und kaiserlichen Pri- 
vilegien, mit eigenen Anordnungen und eigener Gerichtsbarkeit und ver- 
breiteten ihre kunstreiche Gewerbthätigkeit auch über andere Länder. Der 
deutsche Eichen- und Buchenwald mit seinen schlank emporstrebenden, 
unten und oben in einem unendlichen Reichtum ausgebreiteten Zweigen 
und Stämmen war vielleicht Vorbild und Muster zu ihren Bauten. 
Wie früher das deutsche Volk in seinen Wäldern seine Gottheiten ver- 
ehrte, so sollte es jetzt in seinen Säulenhallen den geoffenbarten Gott 
anbeten. Die Steine selbst sind zu lebendigen Tieren und Blumen um¬ 
gewandelt. Von innen scheinen große Palmen, zu Säulenbüscheln ver- 
eint, ihre Zweige und Blätter in den Kreuzgewölben auszubreiten. 
Draußen steht der Wald mit den heiligen Wächtern in Nischen und 
Krystallhöhlen umher. Alle Formen der Tier- und Pflanzenwelt er- 
scheinen hier zum Lobe des Schöpfers neu vereint. Zudem ward die
	        
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