Full text: Geschichtliches Lesebuch

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Lage der Bauern war auch kläglich genug. Ihre Gespanne und 
ihre Hände forderte der Edelmann für seinen Acker; dem Edelmann 
allein gehörten Holz und Wild im Walde und die Fische im Wasser; 
wenn der Bauer starb, nahm jener dem Erben das beste Stück seiner 
Herde, In jeder Fehde des Edelmannes waren sie die Opfer; dann 
fielen fremde Reisige in ihr Vieh, bedrohten sie mit der Armbrust 
und warfen sie in den Kerker. Dazu kamen die Ansprüche der 
Geistlichen. Kein Wunder, daß sich die Bauern hier und da in 
offenen Aufständen erhoben. 
So bildete sich in der Gegend von Schlettstadt ein Bund mi߬ 
vergnügter Bürger und Bauern, welche auf unwegsamen Pfaden bei 
Nachtzeit zusammenkamen und sich verschworen, in Zukunft nicht 
anders als nach freier Bewilligung zu steuern, Zoll und Umgeld 
abzuschafifen und die Geistlichen zu beschränken, die Juden zu töten 
und ihre Güter zu teilen. Ihr Abzeichen war der Bundschuh. 
Freilich wurden sie verraten, auseinandergesprengt und aufs härteste 
gezüchtigt. Aber es dauerte nicht lange, da erhoben sich die Bauern 
aufs neue, dieses Mal in Württemberg und wieder mußte der 
Aufstand mit den Waffen unterdrückt werden. Es war, als ob man 
unaufhörlich im Innern des Bodens, auf dem man stand, ein dumpfes 
Brausen vernehme. 
Der Papst. Die Kirchenlehre hatte in ihrer allmählichen 
Entwicklung dem Papste eine immer höhere Stellung angewiesen. 
Namentlich hatte dazu die Lehre vom Sakrament des Altars bei¬ 
getragen. Durch den Genuß des heiligen Abendmahls — so lehrte 
die Kirche — trete nicht bloß eine geistige, sondern eine leiblich¬ 
geistige Gemeinschaft mit Christo ein. Denn Gott verwandle Brot 
und Wein in den Leib und das Blut Christi, denselben Leib, den 
Christus hier auf Erden besessen, dasselbe Blut, das den Körper 
Christi hier auf Erden durchflossen habe. Aber nur der Priester sei 
imstande, diese Verwandlung der Elemente vorzunehmen; er allein 
könne ,,den Leib Christi machen." Durch solche Lehre wurde 
natürlich der Priesterstand hoch über alle Laien emporgehoben; 
man erblickte fortan in dem Priester den Vermittler zwischen Gott 
und den Menschen, und besonders hoch stieg das Ansehen des 
obersten Priesters, des Papstes. 
Wie hoch der Bischof von Rom in der Vorstellung allmählich 
emporgehoben wurde, ersehen wir aus der Lehre vom Schatze der 
Kirche. Dank Christo und den Heiligen — lehrte die Kirche — 
sei ein unendlicher Schatz von guten Werken, Gebeten, Fasten und 
Büßungen zum Segen für andere aufgesammelt und alle diese Schätze 
verwalte der Papst. Er könne jedem davon abgeben, wenn er wolle, 
und auf solche Weise jeden von seiner Sündenlast befreien oder 
ihm dieselbe erleichtern. 
Auch auf den Mittelzustand, den man sich zwischen Himmel 
und Erde dachte, auf das Fegefeuer, erstreckte sich nach der 
kirchlichen Lehre die Gewalt des Papstes. Man glaubte, er könne 
die Seelen der Verstorbenen aus dem Fegefeuer erretten. So gewaltig 
stand der Papst da. Am Anfänge des 16. Jahrhunderts sprach ein
	        
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