Full text: Geschichtliches Lesebuch

— 43 — 
feindlichen Heere aus einem Hinterhalte in den Rücken zu fallen,, 
und alsbald entstand in den Reihen Heinrichs und Gieselberts Ver¬ 
wirrung. Als einige Sachsen das merkten, riefen sie in französischer 
Sprache: „Flieht! fliehtI Rette sich, wer kann I“ Da meinten die 
Lothringer, alles sei verloren, und wandten sich zur Flucht. Viele 
wurden getötet, und die übrigen gerieten in Gefangenschaft. 
Bei Andernach errang Otto einen noch größeren Vorteil. Die 
Herzöge Eberhard und Gieselbert befanden sich auf dem Rückzuge 
vor Otto. Den größten Teil ihres Heeres hatten sie schon über den 
Rhein gebracht; nur sie selbst waren noch, von wenigen Leuten 
begleitet, diesseits des Flusses. Da wurden sie, nachdem sie ihre 
Mahlzeit eingenommen hatten, von zwei Grafen aus dem Heere Ottos 
beim Brettspiel überrascht, und es entspann sich ein hartnäckiger 
Kampf. Eberhard wehrte sich tapfer; aber er empfing Wunde auf 
Wunde, bis er endlich zusammensank und seinen Geist aufgab. 
Gieselbert ergriff die Flucht und warf sich mit mehreren anderen in 
einen Kahn; doch der Kahn war überfüllt und sank, und Gieselbert 
ertrank in den Fluten des Rheins. 
Ob sich die Sache im einzelnen so zutrug, ist zweifelhaft. Jeden¬ 
falls errang bei Birthen eine kleine Zahl, die für die Sache des 
Königs focht, einen glänzenden Sieg über die feindliche Übermacht, 
und bei Andernach verloren Eberhard und Gieselbert das Leben. 
Darauf schien es Heinrich geraten, die Waffen niederzulegen. Er 
unterwarf sich dem Bruder, und Otto verzieh ihm, ja später belehnte 
er ihn auf Bitten ihrer Mutter mit dem Herzogtum Bayern. 
Ausdehnung der deutschen Macht. Lange Jahre wurde 
unter Otto dem Großen gegen die heidnischen Nachbarn im Osten 
und Norden gekämpft. Otto nahm selber an diesen Kriegen teil; 
aber das meiste taten seine Heerführer. 
Gegen die Wenden zwischen Elbe und Oder, welche häufig 
Einfälle in das christliche Sachsenland gemacht hatten, drangen Her¬ 
mann Billing und Gero vor, Gero von der mittleren, Hermann Billing 
von der unteren Elbe aus. Es waren harte Kämpfe. Denn die 
Wenden konnten, wenn es sein mußte, unsägliche Beschwerden 
ertragen. Aber sie verstanden es nicht zusammenzuhalten; jeder 
wollte tun, was ihm beliebte und ihm nützte. So mußten sie zuletzt 
doch, so tapfer sie für ihre Freiheit kämpften, dem Schwerte Geros 
und Hermanns unterliegen. Aus den unterworfenen Gebieten wurden 
Marken gebildet; Gero wurde Markgraf im Süden, Hermann im Norden. 
Auch Herzog Heinrich von Bayern breitete die Macht des jungen 
Reiches aus. Er drang bis zum Po und bis zur Adria vor und zog 
die Donau abwärts gegen die Ungarn. Dreimal schlug er sie auf 
das Haupt; er soll seine Bayern bis über die Theiß geführt haben. 
In den unterworfenen Gebieten wurde das Christentum gepredigt. 
Sächsische Geistliche und Mönche, die von den Waffen Geros 
geschützt wurden, sandte Otto in die Gegenden an der Havel und 
Spree, und überall entstanden christliche Gemeinden, ein Erfolg, der 
sich freilich mehr auf Gewalt und Furcht, als auf die Bekehrung der 
Herzen gründete. Um den Gemeinden einen Halt zu geben, richtete
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.