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II. Goethes und Schillers Gedankenlyrik. 
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Jahrelang mag, jahrhundertelang die Mumie dauern, 
Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn, 
Bis die Natur erwacht, und mit schweren, ehernen Handen 
An das hohle Gebäu rühret die Not und die Zeit, 
Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen 
Und des numidischen Walds plötzlich und schrecklich gedenkt, 
Aufsteht mit des Verbrechens Wut und des Elends die Menschheit 
Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur. 
O, so öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen ledig! 
/TZu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück! 
Aber wo bin ich? Es birgt sich der Pfad. Abschüssige Gründe 
Hemmen mit gähnender Kluft hinter mir, vor mir den Schritt. 
Hinter mir blieb der Garten, der Hecken vertraute Begleitung, 
Hinter mir jegliche Spur menschlicher Hände zurück. 
Nur die Stoffe seh' ich getürmt, aus ivelchen das Leben 
Keimet, der rohe Basalt hofft auf die bildende Hand. 
Bransend stürzt der Giestbach herab durch die Rinne des Felsen, 
Unter den Wurzeln des Baums bricht er entrüstet sich Bahn. 
Wild ist es hier und schauerlich öd'. Im einsamen Luftraum 
Hängt nur der Adler und knüpft an das Gewölke die Welt. 
Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder 
Den verlorenen Schall menschlicher Mühen und Lust. 
Bin ich wirklich allein? In deinen Armen, an deinem 
Herzen rvieder, Natur, ach! und es war nur ein Traum, 
Der mich schaudernd ergriff,' mit des Lebens furchtbarem Bilde, 
Mit dem stürzenden Tal stürzte der finstre hinab. 
Reiner nehm' ich mein Leben von deinem reinen Altare, 
Nehme den fröhlichen Mut hoffender Jugend zurück. 
Eivig ivechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig 
Wiederholter Gestalt wälzen die Taten sich um. 
Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne ' 
Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz! 
Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne, 
Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertrant, 
Nährest an gleicher Brust die vielfach ivechselnden Alter- 
Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün 
Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter, 
Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns. 
49. Das 
Priams Feste war gesunken, 
Troja lag in Schutt und Staub, 
Und die Griechen, siegestrunken, 
Reich beladen mit dem Raub, 
Saßen auf den hohen Schiffen, 
Längs des Hellespontos Strand, 
Liegesfest. 
Auf der frohen Fahrt begriffen 
Nach dem schönen Griechenland. 
Stimmet an die frohen Lieder! 
Denn dem väterlichen Herd 
Sind die Schiffe zugekehrt, 
Und zur Heimat geht es wieder.
	        
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