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29. König Friedrich August II.
Friedrich August II., der seinem Oheim Anton im Jahre 1836 in
der Königswürde folgte, besaß schon als Prinz, wegen seiner seltenen
Weisheit, Umsicht und Leutseligkeit das unbegrenzte Vertrauen aller
Landesunterthanen, ward deshalb auch bei den Unruhen von 1830 der
sicherste und beste Friedensstifter und der vom ganzen Königreiche er¬
sehnte Mitregent. „Vertrauen erweckt Vertrauen" hatte er in jenen un¬
ruhigen Tagen gesagt, und dieses schöne Wort hat er während seiner
Regierung wahr gemacht; aufs schönste hat er die Hoffnungen gerecht¬
fertigt, die alle bei seiner Thronbesteigung hegten. Durch welche schwere
Prüfungen war dieser Fürst in seiner Jugend hindurchgegangen! Die
langjährigen Kriegsgreuel, die Gefangenschaft feines Oheims, die Tei¬
lung des Landes, das alles hat er als Knabe und Jüngling erlebt; eine
große, ereignisreiche Zeit, die ihm ernste Bilder, wichtige Lehren, starke
Ermunterungen und Warnungen mächtig vor Augen stellte. Unter seiner
milden und gerechten Regierung erfreute sich unser Vaterland, die ersten
zwölf Jahre lang, der Segnung eines ungetrübten Friedens und
wachsenden Wohlstandes. Die sorgfältige Vermessung und Abschätzung
der Felder und die bessere Verteilung der Steuern waren eine Wohlthat,
die namentlich dem Bauernstande zu gute kam. Seine besondere Teil¬
nahme schenkte der König einem Bauwerke, auf das wir Sachsen in
der That stolz sein können, nämlich der Eisenbahn von Leipzig nach
Dresden. Denn diese war nicht nur die erste in Sachsen, sondern die
erste größere in ganz Deutschland. Als am 7. April 1839 der voll¬
endete Bau feierlich eingeweiht wurde, gab es noch viele Leute, die den
Kopf schüttelten und meinten, die acht Millionen Thaler, die die Bahn
gekostet hatte, seien weggeworfenes Geld; aber wie glänzend bestätigte
sich des Königs Voraussicht! Dieser ersten Bahn folgten bald immer
neue, so daß jetzt unser Sachsen unter allen deutschen Staaten verhältnis¬
mäßig die meisten Eisenbahnen (2595 km) besitzt und die Lokomotive
sogar in schwindelnder Höhe über die Thäler der Göltzsch und der Elster
dahinbraust. — Auf dem Elbstrome entstand die Dampfschiffahrt, Handel
und Gewerbe nahmen einen Aufschwung, wie er noch nie dagewesen
war; die Städte wuchsen an Häuser- und Einwohnerzahl, Leipzig er¬
hielt ein neues Universitätsgebäude, das dem König zu Ehren Augu¬
steum heißt, und Dresden ein prächtiges Theater, das leider im Jahre
1869 durch den Brand zerstört wurde. So stand alles gut bis zu
dem verhängnisvollen Jahre 1848. Da brach in Paris eine Revolu¬
tion aus, und sogleich wurde dieses Beispiel auch an vielen Orten
Deutschlands nachgeahmt. In Sachsen befand sich nun das Volk im
allgemeinen in einem viel besseren Zustande als in den meisten anderen
deutschen Staaten, aber die Aufregung wirkte auch hier ansteckend.