Full text: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

XVII. Die Entwickelung der westfälischen Industrie. 199 
Gebrauchsgegenstände, die dann im Hause für den Hausbedarf 
verarbeitet wurden. Diese gewerbliche Tätigkeit diente nicht zum 
Handel und zum Erwerb, sondern nur der Deckung des eigenen 
Bedarfs. Jeder Bauer war sein eigener Tischler, Maurer, An¬ 
streicher, Spinner, Schneider usw. Bei besonders schwierigen und 
umfangreichen Arbeiten (Hausbau) unterstützten sich die Nachbarn 
gegenseitig (Bittarbeit). 
Als sich später viele Landleute freiwillig oder gezwungen unter 
den Schutz eines reichen Grundherrn stellten und Dienste sür ihn 
leisten mußten (S. 61), da arbeiteten diese Bauern also nicht mehr 
für sich allein, sondern auch für den Bedarf ihres Herrn. Der 
„geschlossenen" Hauswirtschaft war damit ein Weg nach außen ge¬ 
öffnet. ' Auch ein Austausch der eigenen Erzeugnisse mit andern 
fand bald statt, um einen Überfluß hier und einen Mangel dort 
auszugleichen. In geringem Maße trat auch schon der Handel ein; 
fremde reisende Kaufleute lieferten gegen Kauf oder Tausch aus¬ 
ländische Erzeugnisse, Schmuck- und Verbrauchsgegenstände. Um 
diese zu bekommen, erzeugte schließlich jede Wirtschaft von einem 
Artikel, der als Tauschmittel besonders begehrt wurde, über ihren 
eigenen Bedarf und brachte ihn auf den Markt, der sich in den ent¬ 
stehenden Städten allmählich entwickelte. 
b. Stadtwirtschaft. Das war der Übergang zur Stadtwirtschaft, 
der zweiten Stufe des Wirtschaftslebens, wie wir sie im Mittel¬ 
alter vorwiegend finden. Sie ist eine erweiterte Hauswirtschaft. 
Ein großer Teil der Stadtbewohner wandte sich vom Ackerbau nach 
und nach der gewerblichen Tätigkeit zu, und die Stadt wurde der 
Sitz der Gewerbe und der Märkte, aus denen der Landmann alles, 
was er in seiner Wirtschaft über seine eigenen Bedürfnisse hinaus 
erzeugte, gegen gewerbliche Erzeugnisse der Stadt eintauschen konnte. 
So bildeten also jetzt die Stadt und das Land in ihrer Umgebung 
einen großen, einheitlichen Wirtschaftsbezirk. Über ihn hinaus wurde 
anfangs wenig Handel getrieben. Alles, was in der Stadt selbst 
hergestellt werden konnte, sollte aus der Fremde nicht eingeführt 
werden. Nur die Handwerker der Stadt hatten das Recht, ihre 
Waren aus dem städtischen Markte abzusetzen. Die eingeführten 
fremden Waren unterstanden der städtischen Aussicht durch Messer 
und Wäger. Die Zufuhr beschränkte sich meist aus Güter, die in 
der Stadt und ihrer Umgebung nicht erzeugt werden konnten, wie 
Gewürze und Südfrüchte, Fische, Pelze, feine Tücher und Wein. 
Der städtische Handwerker arbeitete zunächst nur auf direkte 
Bestellung für seine Kunden. Er stellte das Handwerkszeug und 
die Arbeitskraft, der Kunde den Rohstoff, den der Handwerker ent¬ 
weder im Hause des Kunden (Schneider) oder durch Heimarbeit in 
seiner, eigenen Werkstatt (Schmiede, Bäcker) nach den Angaben des 
Kunden verarbeitete. Bald aber übernahm der Handwerker auch die 
Beschaffung des Rohstoffs und lieferte fertige Ware für den Handel. 
(Preiswerk). In den Städten entstanden bald Vereinigungen der
	        
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