Full text: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

64 
III. Westfalen unter sächsischen Herzögen. 
den Besitz ihrer bisher bewirtschafteten Lathufen erheben. Sie 
wandten sich meistens den aufblühenden Städten zu. Durch den 
Wegzug der Laten wurden Hufen frei, sie wurden, zu mehreren 
vereinigt, an frei gewordene Laten neu verpachtet. Dabei wurden 
die Bedingungen zugrunde gelegt, unter denen der Herrenhof an 
den Meier verpachtet war. Deshalb nannte man dies Pachtrecht 
das Meierrecht. Durch die Neuverpachtung konnte der Grundherr 
weit größeren Nutzen aus seinem Grundbesitz ziehen. 
Die Aufteilung der Villikationen in einzelne Pachthöfe erfolgte 
in Westfalen viel später als in Ostfalen, namentlich in Münster 
und Ravensberg, wo zäh am Alten festgehalten wurde?) Zuerst 
fand sie in der Nähe der Städte statt; die abgetrennten Lathufen 
wurden an die Städter verpachtet. Gerade in Westfalen hatten sich 
viele Meier ein festes Recht auf die Verwaltung ihrer Gutsbezirke 
erworben, so daß es den Grundherren unmöglich war, die Ab¬ 
lösung herbeizuführen. Hin und wieder mußten sie ihrem Meier, 
dem sie sich verpflichtet hatten, den bisher verwalteten Bezirk ganz 
überlassen. In diesem Falle wurden die Gutsbezirke Meierämter 
genannt, während die Inhaber als Amtmeier und seine Hörigen als 
Amthörige bezeichnet wurden. Die Hörigkeit nahm hier meist milde 
Formen an, namentlich den bäuerlichen Meiern gegenüber; denn 
der Meier war ja nun kein Beamter seines Grundherrn mehr, 
sondern selbst ein Bauer. Nach und nach wurde bei dem Bestreben 
der Hörigen, ihre Stellung zu heben, der Unterschied zwischen ihnen 
so gering, daß die Amthörigen auch für sich Anspruch auf die Be¬ 
zeichnung als Meier machten, besonders, da sie mit der Zeit auf 
ihrem Besitztum erblich wurden, wenn auch nicht vor dem Gericht. 
Auch das alte westfälische Erbrecht, wonach das Erbe nnzerstückelt 
und unvermindert an den ältesten oder jüngsten Sohn übergehen 
mußte, wurde namentlich im nördlichen Westfalen (Münster und 
Ravensberg) durch die Jahrhunderte festgehalten, und es kam zu 
keiner Aufteilung der großen Besitze, auch nicht zur Zerstückelung 
der Marken, der Wälder und Heiden, die gemeinsamer Besitz waren. 
Es konnten deshalb auch keine neuen Bauerngüter geschaffen werden. 
Das römische Recht, das auch in Westfalen zur Geltung kam, er¬ 
kannte die Erblichkeit des Latenbefitzes nicht mehr an; dadurch war 
den Grundbesitzern die Möglichkeit gegeben, den Ertrag ihrer Güter 
durch Erhöhung der von alters her festgesetzten Abgaben zu steigern. 
Die Lage der Hörigen wurde dadurch bedeutend ungünstiger, und 
viele wanderten nach dem slawischen Osten aus, wo sie mit • west¬ 
fälischer Zähigkeit weite Strecken urbar machten. Die Zurück¬ 
gebliebenen lebten in der alten Hörigkeit weiter, die am geringsten 
in der Mark und im Sanerlande, mehr im Münsterschen, am 
schroffsten aber in Ravensberg ausgebildet war. 
i) Friedrich der Große befahl nach dem Siebenjährigen Kriege die Aufhebung 
der gemeinen Mark und ihre Teilung unter die berechtigten „Mark-Erben".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.