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III. Westfalen unter sächsischen Herzögen.
den Besitz ihrer bisher bewirtschafteten Lathufen erheben. Sie
wandten sich meistens den aufblühenden Städten zu. Durch den
Wegzug der Laten wurden Hufen frei, sie wurden, zu mehreren
vereinigt, an frei gewordene Laten neu verpachtet. Dabei wurden
die Bedingungen zugrunde gelegt, unter denen der Herrenhof an
den Meier verpachtet war. Deshalb nannte man dies Pachtrecht
das Meierrecht. Durch die Neuverpachtung konnte der Grundherr
weit größeren Nutzen aus seinem Grundbesitz ziehen.
Die Aufteilung der Villikationen in einzelne Pachthöfe erfolgte
in Westfalen viel später als in Ostfalen, namentlich in Münster
und Ravensberg, wo zäh am Alten festgehalten wurde?) Zuerst
fand sie in der Nähe der Städte statt; die abgetrennten Lathufen
wurden an die Städter verpachtet. Gerade in Westfalen hatten sich
viele Meier ein festes Recht auf die Verwaltung ihrer Gutsbezirke
erworben, so daß es den Grundherren unmöglich war, die Ab¬
lösung herbeizuführen. Hin und wieder mußten sie ihrem Meier,
dem sie sich verpflichtet hatten, den bisher verwalteten Bezirk ganz
überlassen. In diesem Falle wurden die Gutsbezirke Meierämter
genannt, während die Inhaber als Amtmeier und seine Hörigen als
Amthörige bezeichnet wurden. Die Hörigkeit nahm hier meist milde
Formen an, namentlich den bäuerlichen Meiern gegenüber; denn
der Meier war ja nun kein Beamter seines Grundherrn mehr,
sondern selbst ein Bauer. Nach und nach wurde bei dem Bestreben
der Hörigen, ihre Stellung zu heben, der Unterschied zwischen ihnen
so gering, daß die Amthörigen auch für sich Anspruch auf die Be¬
zeichnung als Meier machten, besonders, da sie mit der Zeit auf
ihrem Besitztum erblich wurden, wenn auch nicht vor dem Gericht.
Auch das alte westfälische Erbrecht, wonach das Erbe nnzerstückelt
und unvermindert an den ältesten oder jüngsten Sohn übergehen
mußte, wurde namentlich im nördlichen Westfalen (Münster und
Ravensberg) durch die Jahrhunderte festgehalten, und es kam zu
keiner Aufteilung der großen Besitze, auch nicht zur Zerstückelung
der Marken, der Wälder und Heiden, die gemeinsamer Besitz waren.
Es konnten deshalb auch keine neuen Bauerngüter geschaffen werden.
Das römische Recht, das auch in Westfalen zur Geltung kam, er¬
kannte die Erblichkeit des Latenbefitzes nicht mehr an; dadurch war
den Grundbesitzern die Möglichkeit gegeben, den Ertrag ihrer Güter
durch Erhöhung der von alters her festgesetzten Abgaben zu steigern.
Die Lage der Hörigen wurde dadurch bedeutend ungünstiger, und
viele wanderten nach dem slawischen Osten aus, wo sie mit • west¬
fälischer Zähigkeit weite Strecken urbar machten. Die Zurück¬
gebliebenen lebten in der alten Hörigkeit weiter, die am geringsten
in der Mark und im Sanerlande, mehr im Münsterschen, am
schroffsten aber in Ravensberg ausgebildet war.
i) Friedrich der Große befahl nach dem Siebenjährigen Kriege die Aufhebung
der gemeinen Mark und ihre Teilung unter die berechtigten „Mark-Erben".