Full text: Altertum und Mittelalter (1)

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schmücken wußte. Die einzelnen Staaten und Stämme wett¬ 
eiferten miteinander, ihren frommen Sinn und ihre Liebe znm 
Schönen durch Aufstellung prächtiger Statuen und wertvoller 
Weihgeschenke in den Heiligtümern der Götter zu bekunden; jede 
Stadt rechnete es sich zum Ruhme an, in ihren Mauern recht 
viele Standbilder zu besitzen, und unterließ es nie, ihre ver¬ 
dienten Söhne durch Errichtung von Denksäulen und Büsten 
zu ehren. Die Bildnisse der Götter waren ursprünglich nichts 
als rohe, in Holz geschnitzte Statuen, denen die Frömmigkeit 
durch umgehängte Gewänder ein bedeutenderes Ansehen gab, bis 
die Sitte auskam, sie mit Gold und Elfenbein zu überkleiden 
oder auch zu bemalen. Den mächtigsten Aufschwung aber nahm 
die griechische Bildnerei seit der Erfindung des Erzgießens und 
der Verwendung des Marmors und seit man damit begann, 
sich nicht mehr an die überlieferten, durch die religiöse Vor¬ 
stellung geheiligten Formen zu binden, sondern den vollendeten 
Menschenkörper in möglichst treuer Nachahmung der Natur zur 
Anschauung zu bringen. Ein großartiges Kunstleben entfaltete 
sich namentlich in Athen, wo Phidias die Seele desselben 
war und auf Anregung des Perikles Götterbilder schuf, die 
seinen Namen unsterblich gemacht haben. Als seine berühmtesten 
Werke galten die beiden Statuen der Palles Athene auf der 
Akropolis und die Statue des Zeus in Olympia, von welcher 
letzteren die Alten sagten, daß ihr Anblick über alles Erdenleid 
zu erheben vermöge. Unter den späteren Künstlern verdienen 
besonders Skopas und Pr axit el es erwähnt zu werden, 
welche etwa hundert Jahre nach Phidias lebten und für ihre 
Schöpfungen meistens Gegenstände aus den Sagenkreisen der 
Aphrodite und des Dionysius wählten. Ungefähr um dieselbe 
Zeit fertigten Meister von weniger glänzender, immerhin aber 
hervorragender Begabung das gewaltige Grabmal des Königs 
Mausolus von Haliearnassus, nach welchem noch heute alle 
Grabmonumente den Namen „Mausoleen" führen, und den 32 
Meter hohen Koloß von Rhodus, eine Erzstatue des Sonnen¬ 
gottes , die mit weithin sichtbarer Leuchte in der Nähe des 
Hafens stand. 
In den Tagen des Perikles hatte auch die Malerei ihre 
ersten namhaften Vertreter, welche der bis dahin nur in Ver¬ 
bindung mit der Bildnerei geübten Kunst eine selbständige 
Stellung und Raum zu freier Entwicklung verschafften. Ihren 
Höhepunkt erreichte dieselbe im 4. Jahrhundert, wo aus den 
Malerschulen Kleinasiens und Sicyons Meister hervorgingen, 
welche im ganzen Altertume nicht übertroffen worden sind. Die 
Häupter der kleinasiatischen Schule waren Zeuxis und Par- 
rhasius, von denen jener den Ruhm genießt, die Verhältnisse
	        
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