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schmücken wußte. Die einzelnen Staaten und Stämme wett¬
eiferten miteinander, ihren frommen Sinn und ihre Liebe znm
Schönen durch Aufstellung prächtiger Statuen und wertvoller
Weihgeschenke in den Heiligtümern der Götter zu bekunden; jede
Stadt rechnete es sich zum Ruhme an, in ihren Mauern recht
viele Standbilder zu besitzen, und unterließ es nie, ihre ver¬
dienten Söhne durch Errichtung von Denksäulen und Büsten
zu ehren. Die Bildnisse der Götter waren ursprünglich nichts
als rohe, in Holz geschnitzte Statuen, denen die Frömmigkeit
durch umgehängte Gewänder ein bedeutenderes Ansehen gab, bis
die Sitte auskam, sie mit Gold und Elfenbein zu überkleiden
oder auch zu bemalen. Den mächtigsten Aufschwung aber nahm
die griechische Bildnerei seit der Erfindung des Erzgießens und
der Verwendung des Marmors und seit man damit begann,
sich nicht mehr an die überlieferten, durch die religiöse Vor¬
stellung geheiligten Formen zu binden, sondern den vollendeten
Menschenkörper in möglichst treuer Nachahmung der Natur zur
Anschauung zu bringen. Ein großartiges Kunstleben entfaltete
sich namentlich in Athen, wo Phidias die Seele desselben
war und auf Anregung des Perikles Götterbilder schuf, die
seinen Namen unsterblich gemacht haben. Als seine berühmtesten
Werke galten die beiden Statuen der Palles Athene auf der
Akropolis und die Statue des Zeus in Olympia, von welcher
letzteren die Alten sagten, daß ihr Anblick über alles Erdenleid
zu erheben vermöge. Unter den späteren Künstlern verdienen
besonders Skopas und Pr axit el es erwähnt zu werden,
welche etwa hundert Jahre nach Phidias lebten und für ihre
Schöpfungen meistens Gegenstände aus den Sagenkreisen der
Aphrodite und des Dionysius wählten. Ungefähr um dieselbe
Zeit fertigten Meister von weniger glänzender, immerhin aber
hervorragender Begabung das gewaltige Grabmal des Königs
Mausolus von Haliearnassus, nach welchem noch heute alle
Grabmonumente den Namen „Mausoleen" führen, und den 32
Meter hohen Koloß von Rhodus, eine Erzstatue des Sonnen¬
gottes , die mit weithin sichtbarer Leuchte in der Nähe des
Hafens stand.
In den Tagen des Perikles hatte auch die Malerei ihre
ersten namhaften Vertreter, welche der bis dahin nur in Ver¬
bindung mit der Bildnerei geübten Kunst eine selbständige
Stellung und Raum zu freier Entwicklung verschafften. Ihren
Höhepunkt erreichte dieselbe im 4. Jahrhundert, wo aus den
Malerschulen Kleinasiens und Sicyons Meister hervorgingen,
welche im ganzen Altertume nicht übertroffen worden sind. Die
Häupter der kleinasiatischen Schule waren Zeuxis und Par-
rhasius, von denen jener den Ruhm genießt, die Verhältnisse