— 392 - 
Lieblingen des Volkes gehören. Friedrich Wilhelm Zacha- 
riä schrieb mehrere komische Dichtungen in epischer Form, welche 
trotz ihrer Armut an Erfindung doch als Zeit- und Sittenschil¬ 
derungen von Bedeutung sind und eine ganze Menge Nach¬ 
ahmungen hervorriefen. Den Bahnen Gellerts als Fabeldichter 
folgten mit dem meisten Glück und Geschick Magnus Gott¬ 
fried Lichtwer und Gottlieb Konrad Psesfel, von denen 
der erstere eine große Lebendigkeit in der Darstellung bekundet 
und der letztere sich durch eine gewisse Glätte und Zierlichkeit 
auszeichnet. Einer der geistreichsten Schüler Gottscheds, indes 
kein unbedingter Verfechter der Grundsätze desselben, war 
Abraham Gotthold Kästner, dessen Sinngedichte voll Mes¬ 
senden Witzes den besten poetischen Erzeugnissen jener Periode 
beizuzählen sind. 
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr das 
gesamte geistige Leben der deutschen Nation einen mächtigen 
Umschwung. Hochbegabte Männer der verschiedensten Richtung 
schlugen neue Bahnen ein und begründeten teils durch Be¬ 
kämpfung und Zerstörung verjährter Irrtümer und falscher An¬ 
sichten, teils durch geniale Schöpfungen auf dem Gebiete der 
Wissenschaft oder der Dichtkunst einen Höhegrad der Bildung, 
von dem man vorher kaum eine Ahnung gehabt hatte. Am 
meisten machte sich dieser gewaltige Umschwung in der Poesie 
bemerkbar, der die hervorragendsten Geister ihre Talente zu¬ 
wandten, und für die jetzt eine zweite große Blütezeit ihren 
Anfang nahm. Heraufgeführt wurde dieselbe zunächst durch den 
1724 schon erwähnten Friedrich Gottlieb Klopstock, geboren zu 
bis Quedlinburg, gebildet in der berühmten Lehranstalt Sckiulpforta 
und die meiste Zeit seines Lebens im Dienste der Muse ab¬ 
wechselnd zu Kopenhagen und Hamburg verbringend, an welchem 
letzteren Orte er auch im hohen Alter starb. Klopstock weckte 
Empfänglichkeit und Begeisterung im Volke, dem er seinen ernsten 
christlichen Glauben, seine lebhafte Gefühlswürme und seinen 
regen vaterländischen Freiheitssinn um so wirksamer in die Brust 
senkte, als er über eine ungemein würdige, schwungvolle und 
dabei kräftige Sprache gebot. In ganz besonderem Maße treten 
uns diese Vorzüge entgegen in seiner „Messiade", einem ly¬ 
risch-epischen Heldengedicht, das die Erlösung der Welt durch 
den Opfertod des Heilandes zum Mittelpunkt hat, und in seinen 
„Oden" und „Bardieten", welche letzteren die Erinnerung an 
die Thaten der deutschen Vorzeit wieder aufleben lassen. Die 
genannten Werke, vorzugsweise aber die „Messiade", riefen in 
den gebildeten Kreisen der Nation die höchste Bewunderung 
hervor, und Klopstock wurde als der Schöpfer einer neuen 
Epoche in der Dichtkunst gepriesen, dem man mit mehr oder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.