Full text: Deutsche Landes- und Provinzialgeschichte

9] Posen. 57 
fleißigsten Wirte von diesem Wechsel am häufigsten betroffen, 
da man sich stets gerade diese heraussuchte, um eine her¬ 
untergekommene Wirtschaft wieder emporzubringen. So wurden 
diese Leute träge und nachlässig, gleichgültig und stumpfsinnig; 
oft suchten sie in der Flucht ihr Heil, um der verhaßten Über¬ 
nahme eines verkommenen Hofes zu entgehen. Denn falls der 
Bauer sich weigerte, verfügte ja der Grundherr, dem ein unge¬ 
messenes Züchtigungsrecht zustand, über ein sehr wirksames Zwangs¬ 
mittel, die Knute. — Ein polnisches Dorf bestand aus grauen 
Lehmhütten mit zerrissenen Strohdächern. Man sah keinen 
Garten, keinen Baum; nur die Sauerkirschenbäume waren von 
alters her heimisch. In der Mitte des Hauses befand sich der 
große Herd ohne Schornstein; Stubenöfen waren selten, ebenso 
ein Licht. Statt dessen diente ein flackernder Kienspan dazu, 
das Dunkel der langen Winterabende zu erhellen. Das Haupt¬ 
stück des elenden Hausrates war das Kruzifix, unter welchem 
sich ein Naps mit Weihwasser befand. Die schmutzigen Be¬ 
wohner nährten sich von Roggenmehlbrei, oft nur von Kohl¬ 
suppe und Kräutern und von Branntwein. Stumpfsinnig und 
schwerfällig trank das Volk, Männer wie Weiber, prügelte 
sich und taumelte in die Winkel. Brot galt als Leckerbissen; 
viele hatten es im Leben nicht gesehen, geschweige denn 
genossen; einen Backofen gab es selten im Dorfe. Zuweilen 
hielt man Bienenstöcke, aber den Honig verkaufte man an die 
Städter, um für den Erlös auf dem Jahrmarkte den groben 
blauen Tuchrock, die schwarze Pelzmütze und für die Frauen 
das hellrote Kopftuch zu erstehen. Wer erkrankte, fand nirgends 
Rat und Hülfe als bei den Geheimmitteln einer alten Dorf¬ 
frau ; denn Apotheken gab es im ganzen Lande nicht. Ohn¬ 
mächtig und fast wehrlos war das Landvolk gegen die großen 
Herden von Wölfen, welche besonders im Winter die Dörfer 
heimsuchten. Brachen die Pocken oder sonst eine ansteckende 
Krankheit aus, dann gab es erst recht keine Hülfe noch Rettung. 
Verödung der Hütten, Untergang ganzer Gemeinden waren die 
Folgen. Man meinte, die weiße Gestalt der Pest fliege durch 
die Luft und lasse sich auf die Hütten nieder. In dumpfer Er¬ 
gebenheit erwartete man das vermeintlich unabwendbare Geschick. 
8. Kulturarbeit des großen Königs. Es war eine denk¬ 
würdige Arbeit, welche der große Friedrich hier übernahm und 
vollendete. Zu statten kam ihm die ganze Fülle der Erfahrungen, 
welche er in dem neu erworbenen Schlesien gewonnen hatte. Er 
selbst entwarf schon im Oktober 1771 einen Organisationsplan 
zur Aufbesserung des Netzedistriktes und betraute mit der Aus¬ 
führung desselben den Präsidenten der beiden ostpreußischen
	        
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