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leben und sich treu sein wollten. War das bejaht, so wurde ein Hammer — das
Wahrzeichen Thors (S. 10) -— auf die Knie der Braut gelegt, und darüber reichte
sich das Paar die Häude. Hierauf übergab ein Jüngling, der während der
Feier mit einent Schwerte neben der Braut gestanden hatte, das Schwert dem
Bräntigam. Damit sollte angedeutet werden, daß die Brant nun aus der „Munt"
(Schutz, daher „Vormund") des Vaters entlassen und in die Munt des Gemahls
gegeben sei.
War nun die Braut Haussrau geworden, dann leitete sie das ganze Hauswesen.
Mit den Knechten und Mägden bestellte sie das Feld, im Winter spann und webte
sie mit den Mägden leinene Gewänder. (Ein Spinnrad gab es noch nicht.
Statt dessen benutzte man die einfache Spindel oder Kunkel.)
b. Erziehung der Kinder.
1. Erste Kindheit. Mädchen, Knaben. Das neugeborene Kind wurde dem
Vater zu Füßen gelegt. Schien es ihm gesund und kräftig genug zu sein, so
hob er es auf; wenn nicht, so wurde es im Walde ausgesetzt. Unter der Aufsicht
der Mutter wuchsen die Kinder heran. Lustig tummelten sie sich in Feld und
Wald. Der Kuabe badete fleißig und übte sich in der Kunst des Schwimmens.
Mit dem Speere des Vaters wars er nach dem Ziele, auch leriüe er ohne Zaum
und Sattel auf dem Pferde reiten. Gern ging er mit dem Vater auf die Jagd
und trug ihm die Waffen nach.
„Keine Weichlichkeit der Erziehung unterscheidet fjerren und "Knechte. Alle Knaben
leben hütend und wartend unter dem Vieh und lagern auf bloßer Erde. Erst das Jünglings¬
alter sondert den Freigeborenen von den Knechten, und tapfere Taten geben ihm einen
Vorzug." (Cantus.)
2. Schwertertanz. Um den Körper gewandt zu machen und den Mut zu
erproben, übten die Jünglinge den Schwertertanz, der bei jeder geselligen Zusammen¬
kunft aufgeführt wurde. (S. 11.)
„Nackte Jünglinge, die darin ihre Kurzweil finden, springen zwischen Schwertern
und drohenden gramen wild umher, nicht zum Erwerbe jedoch oder zum Lohne; des
verwegenen Spieles einziger Preis ist der Beifall der Zuschauer." (Tacitus.)
3. Wehrhaftmachnng. War der Knabe zum Jünglinge herangewachsen, dann
mußte er vor versammeltem Volke eine Probe im Speerwurfe ablegen. Fiel sie
zur Zufriedenheit aller aus,
„dann schmückt in der Versammlung selbst entweder einer der Fürsten oder der
Datei- oder ein verwandter den Jüngling mit Schwert und Framea. Das ist die erste
lEhre der Jugend. Bis dahin achtete man sie dem fjause angehörig, dann der Ge¬
meinde." (Tacitus.)
Nun trat der Jüngling ans der „Mimt" des Vaters und durfte wie jeder
freie Manu das Haar lang tragen. Von jetzt an waren Waffen seine steten Be¬
gleiter. Mit ihnen erschien er in der Volksversammlung; bei ihnen schwnr er
seine Eide.
5. 5taats= und Gemeindeleben der Germanen.
a. Gemeinde. Hundertschaft. Hau. Völkerschaft.
1. Die ersten Ansiedelungen. Sippe. Markgenossenschaft. Die Ger¬
manen führten eine Art Nomadenleben. Langsam — fast unmerklich — zogen
sie im Laufe zweier Jahrtausende von Osten nach Westen. In den Talgründen