Full text: Hülfsbuch für den Unterricht in der deutschen Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der Kulturgeschichte

um die Mitte des 18. Jahrhunderts. 
473 
Aufputz durch Bandschleifen, Seidenftücke und Blumen erhielten. Der 
Kopfputz und das Brusttuch, aus Frankreich und England gekommen, 
wechselten in Form und Farbe mannigfach. Die Frauenschuhe waren 
spitz und mit hohen Absätzen versehen. 
In den größeren Städten herrschte unter den Wohlhabenden oft 
übertriebener Aufwand in der Kleidung und im Putz, dem auch Kleider¬ 
verbote nicht steuerten. 
II. Geistiges Leben. 
1. Deutsche Dichtung und Sprache. Die deutsche Sprache be¬ 
fand sich noch immer in einem traurigen Zustand. An den Höfen 
und in der vornehmen Welt wurde französisch gesprochen und gelesen, 
und nur der konnte auf Geltuug rechnen, der seine Bildung in Paris 
am Hofe Ludwigs XIV. geschöpft hatte oder von ausgewanderten 
Franzosen erzogen worden war. An den Hochschulen herrschte die 
lateinische Sprache; in der Kirche wurde in barbarischer Sprache ge¬ 
predigt; bei Amt und Gericht bediente man sich unverständlicher Aus¬ 
drücke. Gegen dieses Unwesen traten einige hochbegabte Männer auf 
und brachen die Bahn zu einer neuen Bildung, so vor allen die beiden 
Philosophen Leibniz und Wolff. In der Dichtung blieb der fran¬ 
zösische Geschmack durch die Thätigkeit Gottscheds und seiner Ver¬ 
ehrer länger herrschend; aber als Haller und seine Landsleute 
Bodmer und Breitinger auf die englische Litteratur hingewiesen, 
Klopstock durch seinen „Messias" eine neue Welt der Empfindung 
geschaffen hatten, wurde die ausländische Bildung aus den bürgerlichen 
Kreisen allmählich verdrängt und in die Paläste der Fürsten verbannt. 
2. Interesse an den Naturwissenschaften. Die alte Neigung zur 
Alchemie war noch vorhanden. Redliche und verständige Leute ver¬ 
suchten ernsthaft, das große Geheimnis des Goldmachens zu lösen, 
nur kam ihnen immer etwas dazwischen, was den letzten Erfolg hinderte. 
Solche Arbeit wurde zwar geheimnisvoll betrieben, aber die Stadt 
wußte recht gut, daß der Herr Rat oder Secretarius den Ofen heize — 
um Gold zu machen. Diese Beschäftigung führte dazu, Tinkturen 
herzustellen. Die Hausfrauen liebten allerlei künstliche Wasser zu 
destillieren. In den Anzeigeblättern wurden die verschiedensten Heil¬ 
mittel angepriesen, Pillen gegen Gliederreißen, Pulver gegen Kröpfe, 
blaues Wasser gegen Viehsterben; und wie die Mittel oft mit staunens¬ 
werter Dreistigkeit empfohlen wurden, mit ebenso großer Leichtgläubigkeit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.