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Dritter Zeitraum.
Im Jahre 1810 wurde der Königin einer ihrer langjährigen Wünsche
gewährt; sie durfte im Sommer ihre Heimat Strelitz besuchen. Dort wollte
sie mit dem geliebten Vater und den Geschwistern einige frohe Tage verleben.
Aber gleich nach ihrer Ankunst in dem herzoglichen Schlosse Hohenzieritz er¬
krankte die Königin. Zuerst hatte sie Husten, Fieber und eine große Mattigkeit;
bald trat ein Brustkramps ein. Der König wurde von Berlin gerufen. Am
19. Juli früh um 4 Uhr traf er mit seinen beiden ältesten Söhnen dort ein.
Es war die letzte Freude für die Sterbende. Sie fragte: „Wer ist mit dir
gekommen?" Der König antwortete: „Fritz (so wurde Friedrich Wilhelm kurz
genannt) und Wilhelm." „Ach Gott, welche Freude!" rief die Königin. „Laßt
die Kinder zu mir kommen." Der König führte die beiden Prinzen an das
Bett der Mutter. „Ach, lieber Fritz, lieber Wilhelm, feid ihr da?" sprach sie
zu ihnen. Die Prinzen knieten vor dem Bette ihrer Mutter und weinten
laut. Bald kehrten die Krämpfe wieder. Die Prinzen entfernten sich und
kamen wieder, wenn die Schmerzen der Mutter nachließen. So nahte die
neunte Morgenstunde; zehn Minuten vor neun Uhr neigte die Königin das
Haupt zur Seite, schloß die Augen und rief deutlich: „Herr Jesu, mach es
kurz!" Mit einem Seufzer endete ihr Leben fünf Minuten vor neun Uhr.
Einzelne Züge aus dem Leben der Königin.1)
1.
Der König Friedrich Wilhelm II. nannte Luise „die Fürstin der Fürstinnen".
Bei ihrer Geburtstagsfeier fragte er sie, ob sie noch einen Wunsch habe. Sie
antwortete: „Ich habe alles, was ich auf Erden wünschen kann, und Ihre
Güte macht das Maß meines Glückes voll. Aber da ich so glücklich bin, so
möchte ich auch andere glücklich wissen, und so bitte ich um eine Hand voll
Gold für die Armen von Berlin." Daraus fragte der König: „Wie groß
denkt sich denn das Geburtstagskind diese Hand voll Gold?" „So groß wie
das Herz meines gütigen Königs", lautete die Antwort. Zur größten Freude
der Armen erhielt sie reichlich, um was sie gebeten hatte.
2.
König Friedrich Wilhelm III. stand einst mit feiner Gemahlin im Schlosse
am Marmorfee vor einem Fenster. Die Königin hatte den Kronprinzen im
Arme und ließ ihn mit einigen Goldstücken spielen. Da näherte sich ein alter
Mann dem Fenster, verbeugte sich und bat um ein Almosen. Der König öffnete
das Fenster und sagte zu dem Bittenden: „Wende Er sich an diese Frau, mein
Freund! Er sieht, sie läßt Kinder mit Goldstücken spielen und wird für einen
1) Kursorisch gelesen oder vor- und nacherzählt wird das Lesestück „Die Königin
Luise und ihr Lehrer".