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Die Rechtsprechung erfolgt durch Einzelrichter bei kleineren Sachen, 
sonst durch Richterkollegien; oft sind bei der Rechtsprechung auch 
Laien beteiligt als Schöffen und Geschworene. 
7. Die rechtlichen Beziehungen der Bürger unter einander werden 
durch das Privatrecht, die der Bürger zum Staate oder der Staats¬ 
gewalten (Behörden u. s. w.) zu einander durch das öffentliche oder 
Staatsrecht geregelt. Ein Teil des letzteren ist das Straf- oder Ivri- 
minalrecht; zur Verfolgung strafbarer Handlungen, die das allgemeine 
Wohl schädigen, sind in den modernen Staaten öffentliche Ankläger, 
Staatsanwälte u. ä., bestellt; in den demokratischen Staaten des Alter¬ 
tums konnte jeder Bürger als öffentlicher Ankläger auftreten. 
Kriminalprozesse werden meist vor Geschworenen- (Schwur-) 
Gerichten verhandelt, d. li. vor Gerichtshöfen, in denen nicht-rechtsgelehrten 
Bürgern die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten zusteht. 
Im Mittelalter und bis in das 19. Jh. hinein wurde die Gerichtsbar¬ 
keit von den Fürsten an Stadtgemeinden und Private (Gutsherren, 
Klöster, Stifter u. s. w.) als nutzbares Recht verliehen (sog. P atrimo- 
nialgerichtsbarkeit); die Beliehenen mufsten einen rechtskundigen 
Verwalter (Justitiar) anstellen. Die landesherrlichen Gerichte 
bildeten für die Patrimonialgerichte die höhere Instanz. 
8. Recht und Gesetze sind in allen Staaten anfangs nicht schriftlich 
aufgezeichnet gewesen, sondern haben sich durch Übung und Überliefe¬ 
rung erhalten: dies heilst das ungeschriebene oder Gewohnheits¬ 
recht. Jeder Bürger ist verpflichtet, die Gesetze seines Landes zu 
kennen: ‘ignorantia legis nocet'. 
9. Hauptgrundsatz der modernen Staaten ist, dafs alle Staats¬ 
angehörige persönlich frei und vor dem Gesetze gleich sind. 
3. In den ältesten monarchischen und aristokratischen Staaten findet sich 
mehrfach das System der Kasten,1) d. h. sogenannter erblicher Berufs¬ 
stände (Priester, Krieger, Ackerbauer, Kaufleute, Handwerker u. s. w.): 
sie beruhen auf der mit wachsender Kultur sich steigernden Arbeitsteilung. 
Noch heut unterscheidet man Adel, Bürger- und Bauernstand, die sich 
aber durch politische Vorrechte nicht mehr unterscheiden. Der Adel 
ist jedoch immer erblich; erst in neuerer Zeit hat man in einzelnen Staaten 
(Bayern, Rufsland) einen Amts- oder Verdienstadel, der nicht erblich 
ist, eingeführt, mit dem sich die römische Nobilität von 366 an vergleichen 
läfst. Als eigentümlich mufs der chinesische Verdienstadel hervorgehoben 
werden, der auf Wissen und Gelehrsamkeit beruht. (Vgl. unten § 16,1.) 
— Früher waren auch Bürger- und Bauernstand als erbliche Stände unter¬ 
schieden, wie in Preufsen noch bis 1807. 
Aufserhalb der politischen Volksgemeinde standen im Altertume, überall 
rechtlos und als Sachen behandelt, die Sklaven2), deren Stellung meist nur 
die Sitte milderte. Im Mittelalter wurden aus den Sklaven die Leibeigenen 
oder Hörigen, denen ein gewisser Rechtsschutz zur Seite stand. 
§ 11. 
Geht auf den untersten Kulturstufen die ganze Thätigkeit eines Volkes 
zunächst auch nur darauf aus, die zu seiner Existenz nötigen Nahrungsmittel 
zu finden, so wird doch gerade durch die Not der Erfindungsgeist angeregt 
*) Vom portugies. casta = Geschlecht. 
2) Der Name Sklav stammt aus dem Mittelalter und ist gleichbedeutend mit Slawe, da im 
Mittelalter durch Krieg viele Slawen in die Knechtschaft des Abendlandes gerieten.
	        
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