Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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nehmen, daß ich Rom nicht sollte gesehen haben." Besonders ärgerte 
er sich über den abscheulichen Leichtsinn, mit dem die Geistlichen den 
Gottesdienst verrichteten. „Kanm hatte ich eine Messe gelesen," er¬ 
zählt er selbst, „so fehlte bei ihnen schon keine an dem Mandel. 
Jft's doch, als ob man um den Lohn bete!" 
Kanm war er zurück von der Reife, so erhielt er die besondere 
Auszeichnung, zum Doktor der Theologie ernannt zu werden. Der 
Kurfürst hatte ihn einmal predigen gehört unb war so sehr durch 
ihn erbaut worben, daß er selbst die Kosten zu seiner Amts¬ 
erhöhung hergab. Luther aber wollte durchaus nicht die hohe Ehre 
annehmen und erklärte, ihm gebühre eine solche Auszeichnung gar¬ 
nicht. Endlich mußte er doch nachgeben. Nun war erst recht des 
Studierens kein Ende; denn er wollte doch seiner Würde auch Ehre 
machen, und mit emsigem Fleiße suchte er das nachzuholen, was er 
in feiner Jugend nicht hatte lernen können. Wäre bas so ge¬ 
blieben, so mürbe er zwar immer ein tüchtiger Professor und 
Prediger geworden sein, aber nicht das Außerordentliche gewirkt 
haben, wozu ihn die göttliche Vorsehung bestimmt hatte. Aber 
ein Vorfall gab feinem Geiste plötzlich eine ganz neue Richtung. 
4. Beginn der Reformation. 
In der alten christlichen Kirche wurde eine sehr strenge Buß- 
zucht geübt. Hatte jemand sich grober Vergehen gegen die Sitten- 
gefetze schuldig gemacht, oder war er gar zur Zeit der Verfolgung 
dem christlichen Glanben abtrünnig geworden, so wurde er erst 
wieder zugelassen, wenn er sich in strengen Bußübungeu, die oft 
jahrelang dauerten, von feinen Sünden gereinigt hatte. Als das 
Christentum später Staatsreligion wurde, ließ sich eine solch strenge 
Kirchenzucht nicht mehr durchführen. Es traten daher oft an die 
Stelle der Bußübungen andere fromme Werke, z. B. Wallfahrten, 
Gebete, Almosen. Ta nach germanischen Rechtsgrunbsätzen jebes 
Vergehen mit Gelb gesühnt werben konnte, kam es im Mittelalter 
immer häufiger vor, baß Kirchenstrafen gegen Zahlung bestimmter 
Summen erlassen würben. Anfangs wurbe biefes Gelb zn guten 
Zwecken nngronnbt; balb aber benutzten es gewissenlose Papste zur
	        
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