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Dritter Zeitraum.
Das Zeitalter der deutschen Einheits¬
bestrebungen.
i.
Das Erwachen der deutschen Cinheitsbestrebungen.
1. Das Wartburgfest und die Karlsbader Beschlüsse.
Die Freiheit gegen den äußeren Feind war in schwerem Kampfe er¬
rungen und das schlummernde Nationalgefühl der Deutschen wieder geweckt.
In der Erkenntnis, daß alles Leid der letzten Jahrzehnte aus der Zwietracht
der Deutschen entstanden war und daß ihrer geeinten Kraft kein auswärtiger
Staat widerstehen könne, hatten schon während der Freiheitskriege die Pa¬
trioten einen engeren Zusammenschluß der Stämme uud Wiederaufrichtung
des Kaiserreichs verlangt. Die Forderung hatte besonders Max v. Schenken-
dorf, „der deutsche Kaiserherold", betont. Der starre Souveräuitätsbegriff
hatte aber die staatliche Einheit vereitelt.
Daher waren mit der Schaffung des Deutschen Bundes, in dem
Preußen wenig zu bedeuten hatte, da es von wenigen Kleinstaaten überstimmt
werden konnte, aber bei dem Mangel einer Bundeskriegsverfassung nicht nur
den ganzen Osten Norddeutschlands schirmen, sondern auch die Wacht am
Rhein übernehmen mußte, weite Kreise nicht zufrieden. Auch außerhalb
Preußens drangen hinfort einsichtige Männer sowohl auf eine größere Ein¬
heit Deutschlands, als auch auf eine parlamentarische Verfassung der Einzel-
staaten. Der Einheitsgedanke erfüllte die Gemüter der Deutschen
und beeinflußte die Politik fast das ganze 19. Jahrhundert.
Da die Industrie nach den Freiheitskriegen durch die Überschwemmung
des deutschen Marktes mit englischen Erzeugnissen schwer zu leiden hatte,
und der Landwirt infolge des hohen Zolles, den England zum Schutze feiues
während der Kontinentalsperre geförderten Ackerbaues erhob, sein Getreide
nur zu einem geringen Preise verkaufen konnte, so blieb der Wunsch nach
Aufrichtung eines starken Kaisertums nur in den gebildeten Kreisen, zumal
auf den Universitäten, die an der Erhebung einen hervorragenden Anteil
gehabt hatten, lebendig. Den aus dem Feldlager heimgekehrten Professoren
und Studenten erschien das damalige Treiben auf den Hochschulen unwürdig.
Erfüllt von dem Ernste des Lebens und begeistert von der ruhmreichen Ver¬
gangenheit Deutschlands zur Zeit der Ottonen und Staufer, bildeten die ehe¬
maligen Freiwilligen 1815 zu Jena die allgemeine deutsche Studenten-