Full text: Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters

Siebenter Abschnitt. 
Die deutsche Sozialdemokratie. 
1. Gründungsschwindel und Kulturkampf. 
Wie die Revolution von oben durch den Bund zwischen 
dem preußischen Militärstaate und der deutschen Bourgeoisie 
gesichert worden war, so hatten diese beiden Mächte den Er¬ 
oberungskrieg gegen Frankreich geführt, und so teilten sie sich 
in die Beute. 
Der Hauptgrund, womit die Annexion Elsaß-Lothringens 
befürwortet worden war, nämlich daß sie Deutschland vor 
allen Angriffsgelüsten Frankreichs sichere, erwies sich sofort 
als der holde Humbug, der sie war. Ganz im Gegenteil gab 
Moltke, die gefeiertste militärische Größe des neuen Reiches, 
die Parole aus: „Was wir in einem halben Jahre mit den 
Waffen errungen haben, das mögen wir ein halbes Jahr¬ 
hundert mit den Waffen schützen, damit es uns nicht wieder 
entrissen werde." Der Militarismus schwoll zu Dimensionen 
an, die den ärgsten Pessimisten der sechziger Jahre unglaublich 
erschienen wären. 
Aber das nahm die Bourgeoisie gern in den Kauf, da ihr 
die Kolbenstöße der deutschen Heere die Tore des Weltmarktes 
weit geöffnet hatten. Zwar kam der Milliardensegen ganz 
überwiegend dem Militärstaat zu gute, um Schulden ab¬ 
zutragen, Dotationen und Pensionen zu zahlen, Festungen und 
Kasernen zu bauen, die Bestände von Waffen und Militär¬ 
effekten zu erneuern, allein die enorme Vermehrung des dis¬ 
poniblen Kapitals und der zirkulierenden Geldmenge gab der 
jungen Großindustrie einen mächtigen Aufschwung. Die Kon¬ 
zentration des Kapitals ergriff alle Zweige des gewerblichen 
Lebens; die Jahre 1871 bis 1873 schufen an Aktienkapitalien 
mehr als 1200 Millionen Taler, fast soviel wie die französische 
Kriegsentschädigung betrug: Bankinstitute und Industrie- 
gesellschaften schossen in den buntesten Formen aus dem Boden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.