Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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brauche wie Ablaß u. bergt. Aber ber sonst so streitbare Luther war 
schließlich boch mit btefer milben unb friedlichen Form einverstanden, 
weil es daraus ankam, sich mit ben katholischen Fürsten zu versöhnen 
unb zu einigen unb sie womöglich zur Reformation ber katholischen Kirche 
zu bewegen. 
Zur Ergänzung. 
Der Kaiser wünschte einfache Überreichung bieser Bekenntnisschrift, 
aber bie Protestanten verlangten öffentliche Verlesung unb feierliche 
Übergabe. Da gab ber Kaiser nach, bestimmte aber für bie Überreichung 
nicht ben großen Rathaussaal, wo bie sonstigen Verhanblungen statt; 
fnnben, sonbern bie kleine Kapelle bes bischöflichen Palastes, in bem er 
wohnte. Doch zweihunbert Personen hatten immerhin hier Platz, unb 
noch mehr konnten vom Vorhof aus burch bie offenen Thüren unb Fenster 
zuhören. Der gesamte Reichstag war versammelt (Sonnabend, ben 
25. Juni, nachmittags 3 Uhr), ber Kaiser erschien, unb ber kursächsische 
Kanzler begann bie Verlesung in beutscher Sprache. Als ber Kaiser bie 
Verlesung in lateinischer Sprache verlangte, erklärte ber Kurfürst: Wir 
stehen auf deutschem Boden — unb ber Kaiser fügte sich. So las ber 
Kanzler in beutscher Sprache zwei Stunben lang, unb zwar so laut, baß 
ihn auch bie Leute im Hose verftanben. Alle hörten mit gespannter 
Aufmerksamkeit, auch ber Kaiser, wenigstens zu Ansang; boch allmählich 
ermüdete er, da er zu wenig Deutsch verstanb, unb zuletzt schlief er ein. 
Aber auf bie meisten Zuhörer machte bie Vorlesung bes Glaubens¬ 
bekenntnisses großen Einbruck. Die Evangelischen fühlten sich gestärkt 
unb ermutigt, unb sofort traten noch vier Städte zu ihrer Partei über. 
Viele katholische Fürsten, bie seither die Evangelischen für Ketzer und 
Gottesleugner gehalten hatten, sahen nun zu ihrer Verwunderung, baß 
sie gute Christen waren. Der Herzog von Bayern sagte zu Eck: „So 
hat man mir bis jetzt nicht von dieser Sache unb Lehre gesagt, unb ich 
sehe wohl: Die Lutherschen sitzen in ber heiligen Schrift und wir ba¬ 
neben." Unb ber Bischof von Augsburg meinte: „Sie haben nicht die 
katholische Kirche, sondern nur die Mißbräuche der römischen Kirche an¬ 
gegriffen." Doch meinten auch viele Geistliche: „Wir wissen wohl, daß 
im Papsttum viele Irrtümer sind, aber wir wollen uns nicht von dem 
Wittenberger Winkel aus reformieren lassen." Und einer von den 
Hitzigsten sagte: „Wenn wir Kaiser wären, wir antworteten ihnen auf 
ihre Schrift von schwarzer Tinte mit einer Schrift, die in roter Tinte 
geschrieben ist." 
Der Kaiser nahm die beiden Urkunden des Bekenntnisses in Empfang, 
behielt die lateinische für sich, übergab die deutsche dem Reichskanzler, 
und schloß die Sitzung mit der Erklärung, daß er diese hochwichtige 
Sache als ein christlicher Kaiser bedenken wolle. Sodann beauftragte 
der Kaiser einige katholische Theologen, insbesondere den Dr. Eck, mit 
der Widerlegung des Bekenntnisses. Diese „Widerlegung" (in der von 
den 21 Artikeln drei als ganz ketzerisch verworfen, die 7 Artikel aber 
sämtlich verdammt werden), wurde gleichfalls öffentlich vorgelesen, und 
der Kaiser verlangte drohend die Zustimmung der Protestanten. Doch
	        
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