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brauche wie Ablaß u. bergt. Aber ber sonst so streitbare Luther war
schließlich boch mit btefer milben unb friedlichen Form einverstanden,
weil es daraus ankam, sich mit ben katholischen Fürsten zu versöhnen
unb zu einigen unb sie womöglich zur Reformation ber katholischen Kirche
zu bewegen.
Zur Ergänzung.
Der Kaiser wünschte einfache Überreichung bieser Bekenntnisschrift,
aber bie Protestanten verlangten öffentliche Verlesung unb feierliche
Übergabe. Da gab ber Kaiser nach, bestimmte aber für bie Überreichung
nicht ben großen Rathaussaal, wo bie sonstigen Verhanblungen statt;
fnnben, sonbern bie kleine Kapelle bes bischöflichen Palastes, in bem er
wohnte. Doch zweihunbert Personen hatten immerhin hier Platz, unb
noch mehr konnten vom Vorhof aus burch bie offenen Thüren unb Fenster
zuhören. Der gesamte Reichstag war versammelt (Sonnabend, ben
25. Juni, nachmittags 3 Uhr), ber Kaiser erschien, unb ber kursächsische
Kanzler begann bie Verlesung in beutscher Sprache. Als ber Kaiser bie
Verlesung in lateinischer Sprache verlangte, erklärte ber Kurfürst: Wir
stehen auf deutschem Boden — unb ber Kaiser fügte sich. So las ber
Kanzler in beutscher Sprache zwei Stunben lang, unb zwar so laut, baß
ihn auch bie Leute im Hose verftanben. Alle hörten mit gespannter
Aufmerksamkeit, auch ber Kaiser, wenigstens zu Ansang; boch allmählich
ermüdete er, da er zu wenig Deutsch verstanb, unb zuletzt schlief er ein.
Aber auf bie meisten Zuhörer machte bie Vorlesung bes Glaubens¬
bekenntnisses großen Einbruck. Die Evangelischen fühlten sich gestärkt
unb ermutigt, unb sofort traten noch vier Städte zu ihrer Partei über.
Viele katholische Fürsten, bie seither die Evangelischen für Ketzer und
Gottesleugner gehalten hatten, sahen nun zu ihrer Verwunderung, baß
sie gute Christen waren. Der Herzog von Bayern sagte zu Eck: „So
hat man mir bis jetzt nicht von dieser Sache unb Lehre gesagt, unb ich
sehe wohl: Die Lutherschen sitzen in ber heiligen Schrift und wir ba¬
neben." Unb ber Bischof von Augsburg meinte: „Sie haben nicht die
katholische Kirche, sondern nur die Mißbräuche der römischen Kirche an¬
gegriffen." Doch meinten auch viele Geistliche: „Wir wissen wohl, daß
im Papsttum viele Irrtümer sind, aber wir wollen uns nicht von dem
Wittenberger Winkel aus reformieren lassen." Und einer von den
Hitzigsten sagte: „Wenn wir Kaiser wären, wir antworteten ihnen auf
ihre Schrift von schwarzer Tinte mit einer Schrift, die in roter Tinte
geschrieben ist."
Der Kaiser nahm die beiden Urkunden des Bekenntnisses in Empfang,
behielt die lateinische für sich, übergab die deutsche dem Reichskanzler,
und schloß die Sitzung mit der Erklärung, daß er diese hochwichtige
Sache als ein christlicher Kaiser bedenken wolle. Sodann beauftragte
der Kaiser einige katholische Theologen, insbesondere den Dr. Eck, mit
der Widerlegung des Bekenntnisses. Diese „Widerlegung" (in der von
den 21 Artikeln drei als ganz ketzerisch verworfen, die 7 Artikel aber
sämtlich verdammt werden), wurde gleichfalls öffentlich vorgelesen, und
der Kaiser verlangte drohend die Zustimmung der Protestanten. Doch