Full text: Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg (Teil 4)

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griffen, aber ich muß es thun um meines Gewissens willen. Möge der 
christliche Adel den Verstand und den Mut finden, der armen Christenheit 
zu helfen! 
Übersicht über das Ganze (kurzer Gedankengang). 
Zweck und Kern der Schrift: Aufruf der weltlichen Obrig¬ 
keiten zur Besserung der verderbten Kirche durch ein Konzil. 
Hauptgedanken. 
1. Das Konzil ist möglich; denn die drei Mauern der Roma¬ 
nisten, mit denen sie dem Eingreifen der Laien wehren, sind leicht nieder¬ 
zuwerfen. 
2. Dies Konzil ist notwendig; denn die Mißbrauche in der 
Papstkirche sind himmelschreiend. 
3. Dies Konzil hat wirklich Mittel und Wege zur Besserung 
der Kirche; es braucht nur die 27 Vorschläge Luthers zu Gesetzen zu 
erheben. 
Die Bedeutung der Schrift. 
Wie verh alt sich unsere Schrift zur Schrift „von 
der Freiheit?" Dort zeigt Luther der einzelnen Seele mit herzlichen 
Worten den Weg zum Heil (Glaube, der freiwillig in der Liebe thätig 
ist): hier will Luther die unchristliche Kirchenordnung, die Gesetze und 
Einrichtungen des Papsttums abgeschafft sehen, weil dadurch zahllose 
Seelen verderbt werden, und ruft daher die weltliche Macht auf, die 
Mißbrauche zu beseitigen, nötigenfalls mit Gewalt. Er hat also erkannt, 
daß seine stille und auferbauende Arbeit an der einzelnen Christenseele 
umsonst ist, wenn er nicht zuvor die päpstliche Gewaltherrschaft über 
Leib und Seele, Hab und Gut des deutschen Volkes niedergerissen hat. 
Das ist aber ein Fortschritt. Freilich predigt Luther den Umsturz 
vieler bis dahin geltenden Rechte und Einrichtungen, aber er thut es, 
um dem Evangelium Bahn in die Herzen zu brechen und ein Konzil 
zustande zu bringen. 
Wie verhalten sich Luthers Klagen und Forde¬ 
rungen zur Meinung des deutschen Volkes? Luther spricht 
nur aus, was die Mehrzahl des deutschen Volkes klagt und wünscht, 
was aber niemand so öffentlich auszusprechen wagte. Luther that aber 
noch mehr; er zeigte, daß alle diese Mißbräuche gegen Gottes Wort 
und Willen waren; dadurch entzog er der römischen Tyrannei ihren 
Heiligenschein (als ob sie Gottes Stellvertreterin wäre) und gab jeder¬ 
mann die Zuversicht, daß man sich mit gutem Gewissen und ohne 
Gefahr für feine Seligkeit gegen Rom wehren könne. 
Was bewog Luther zu dieser Schrift? Er sagt es oft 
genug: die Not der Christenheit (d. h. die Verweltlichung des Papst¬ 
tums, das Übergewicht der guten Werke über den Glauben, der Mangel 
an frommen Predigern des Evangeliums, die Aussaugung des deutschen 
Vaterlandes durch Rom u. f. w.), also die Liebe zum Volk; er will 
fein Volk frei machen von den römischen Ketten, damit es seinen Glauben
	        
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