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meiden." Aber Günther und seine Brüder beschlossen, der Schwester 
die Botschaft ausrichten zu lassen. 
Da ging der Markgraf Gere zu Krimhild und brachte ihr die 
Werbung. Die Jammersreiche erwiderte darauf: „Euch soll Gott 
verbieten, daß ihr an mir Armen euren Spott übt. Was sollt ich 
einem Manne, der von einem guten Weibe schon Hmensliebe ge¬ 
wonnen hat?" Doch ließ sie sich bereden. Rüdiger zu sehen. Aber 
nachdem sie die Einwilligung gegeben, begann auch wieder das 
Weinen und Klagen um den Unvergeßlichen, den Mörders Hand 
ihr geraubt hatte. 
Rüdiger erschien des andern Tages und brachte seine Werbung 
vor. Aber Krimhild antwortete: „Markgraf Rüdiger, wenn jemand 
meines Herzeleides kundig wäre, der würde mir nicht zu einem 
zweiten Manne raten; ich verlor mehr an dem einen, als eine Frau 
jemals gewinnen kann." Allein der gute Rüdiger redete so freund¬ 
lich und eindringlich zu ihr, daß sie doch nicht sofort nein sagen 
mochte, sondern Bedenkzeit bis zum andern Tage verlangte. — Als 
Rüdiger sie verlassen hatte, kam Giselher und redete ihr zu: „Wenn 
einer dein Leid wenden kann, so ist es Etzel; vom Rotten bis zum 
Rheine, von der Elbe bis zum Meer, ist kein anderer König so 
mächtig und geehrt wie er; du magst dich wahrlich freuen, daß er 
dich zum Weibe begehrt." — „Klagen und Weinen," antwortete da¬ 
gegen Krimhild, „ziemt mit besser als königliche Herrlichkeit; ich kann 
nicht mehr zu Hofe stehen, wie einer Königin ziemt; war ich einst 
schön, längst ist die Schönheit verschwunden." 
Gedankenvoll und mit nicht trocknenden Augen lag Krimhild 
aus ihrem Bette, bis der Tag anbrach. Da kam Rüdiger um die 
entscheidende Antwort einzuholen. Aber alles erneute Bitten des 
edlen Markgrafen vermochte nicht, sie zu bewegen, bis er endlich 
insgeheim zu ihr sprach: „Laßt euer Weinen sein! Hättet ihr bei 
den Hunnen niemand als mich, meine Freunde und Mannen: jeder 
der euch ein Leid gethan hätte, sollt es durch unsere Hand schwer 
entgelten." Das war ein Trostwort, wie Krimhild es gern hörte, 
und sofort erwachte in ihr der Gedanke, daß sich jetzt ihr die Ge¬ 
legenheit böte. an ihrem Feind Hagen Rache zu nehmen. Deshalb 
sprach sie: „So schwört mir, daß ihr jederzeit bereit sein wollt, mir 
angethanes Leid zu rächen." Und Rüdiger gelobte es ihr in die 
Hand. Da sprach sie: „Nun will ich euch folgen in das Land der 
Hunnen." 
3. Als dem König Etzel angesagt war, daß Krimhild in sein 
Land käme, zog er ihr mit einem Gefolge von vierundzwanzig 
Fürsten entgegen. Da brachten unter andern der neuen Herrscherin 
ihre Huldigung dar: der Herzog Ramung aus Walachenland, die 
Sachsenfürsten Gibeke und Hornboge, vom Dänenlande der kühne 
Hawart und sein Gefolgsmann der treue Jring, aus Thüringen 
der weitberühmte Landgraf Irnfrid, und zuletzt' in Etzels nächster 
Umgebung der Gotenkönig Dietrich von Bern. Unübersehbar waren 
die Scharen der Völker, die diesen Führern folgten. Alle zogen nun, 
um das Königspaar geschart, hinab nach Wien.
	        
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