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Gehorsams durchgemacht. Selbst das Leben in Armut, die geringe
Kost und das häufige Fasten fielen ihm nicht schwer, da er kein
verwöhntes Muttersöhnchen war. Der Novizenmeister hatte an
ihm einen guten Schüler und dieser an jenem einen freundlichen
Lehrer. Nie hat derselbe es nötig gehabt, seinen L-chüler zu tadeln.
Er befürwortete darum nach Verlauf des Jahres die Ausnahme
Martins in den Orden.
Ausnahme: Heute noch ist im hohen Chor der Augustiner-
kirche die Stelle zu sehen, die Luther bei seiner Prosetzleistung
lang hingestreckt berührt bat. Auf dem damals unmittelbar vor dem
Hochaltar gelegenen Grabmal des Angustinerpaters Johannes
Zachariä, der sich auf dem Konzil zu Konstanz den Titel eines
Hus-Ueberwinders erworben hatte, lag in Kreuzesform der junge
Mönch und schwur mit lauter Stimme den Eid, den ihm der Prior
vorsprach: „Ich Bruder Martmus tue Proseß (Gelübde) und ver¬
spreche Gehorsam dem allmächtigen Gott und der heiligen Jung¬
srau Maria und dir, Bruder Winand, Prior dieses Konvents, . .
zu leben ohne Eigenes und in Keuschheit gemäß der Regel des
heiligen Augustinus bis an den Tod."
Lutherzelle: Jetzt wurde dem Bruder Martin eine eigene
Zelle zugewiesen. Kaum 3 in lang und 2 m breit, hatte sie nur
Raum für einen Tisch, einen Stuhl und eine Lagerstatt, letztere
mit einem Strohsack und einigen wollenen Decken. Durch das
einzige Fenster sah der junge Mönch aus seine letzte Ruhestätte,
den Begräbnisplatz der Brüder, der rings vom Kreuzgang ein¬
geschlossen wurde. (Zelle im evg. Waisenhaus.)
Die erste Messe: In diesem engen Raum mußte sich Bru¬
der Martin aus das Priesteramt vorbereiten, für welches ihn seine
Vorgesetzten bestimmt hatten. Er tat es mit Furcht und Zittern
und unter Gebet und Fasten, da er sich sür unwürdig und un¬
fähig zu solch hoher Stellung hielt. Am 2. Mai 1507 las er
zagend feine erste Messe, und, als er die Hostie in der Hand
hielt, durchlies ihn ein Schauer. Beinahe hätte er noch während
der heiligen Handlung den Altar verlassen, wenn ihn nicht sein
Lehrer daran gehindert hätte. Als aber alles wohlgelungen war,
da sühlte er eine hohe Freude. Sie wurde noch vermehrt durch
die Anwesenheit seines Vaters, der mit einem stattlichen Gefolge
von Freunden und Bekannten auf 20 Rossen nach Ersnrt gekom¬
men war. Er ehrte den Sohn durch eine Gabe von 20 Gulden
und nahm teil an dem der Messe folgenden Festmahle. Ueber
Tisch sprach Bruder Martin zu seinem Vater: „Lieber Vater,
warum habt Ihr Euch so hart dawider gesetzt und wäret also
zornig, daß Ihr mich nicht gerne wollet lassen ein Mönch werden
und vielleicht noch itzo nicht allzu gerne sehet? Jst's doch so ein
fein geruhsam und göttlich Leben!" Da antwortete der starrköp¬
fige Alte, der noch immer unmutig über den Schritt feines Soh¬
nes war, offen und ebrlich mit der Gegenfrage: „Ihr Gelehrten,