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Stadl herumzog und unter Trommelschall bekannt machte, daß
Paris genommen, der Senat Napoleon abgesetzt und Ludwig XVIII.
gehuldigt habe. Durch Kuriere kam die Nachricht, daß Bonaparte
gefangen und nach der Insel Elba verwiesen sei mit einer Pension
von 6 000 000 Frank. Abends war nochmals große Erleuchtung
der (Ztadt. . . . (Nach E. W. Gräuel.)
80. Die Feierndes 1. Gedenktages der Leipziger
Völkerschlacht.
1814.
Am 15. Oktober wurde das Gedächtnis der ewig denkwür¬
digen Völkerschlacht bei Leipzig, wo Napoleons Glücksstern er¬
bleichte und die Deutschen ihre Schmach rächten und ihren alten
Heldenruhm wieder errangen, hier feierlich begangen. Ein wahres
Nationalfest, das mit Recht wie ein heiliges durch ganz Deutsch¬
land gefeiert wurde.
Die hier in Garnison liegenden 4 Bataillone zogen früh auf
den Anger, wo an mehrere Krieger, die sich in der großen Schlacht
ausgezeichnet hatten, eiserne Verdienstkreuze ausgeteilt wurden.
In der Predigerkirche begann gegen 9 Uhr der feierliche Gottes¬
dienst, der mit allen Glocken eingeläutet wurde. Nach Abfingung
eines Lob- und Dankliedes mit musikalischer Begleitung tönte
mächtig der prächtige Chor „Fall war sein Los" aus Händels
„Judas Makkabäus" vom hohen Chor herab und schwellte die
Brust jedes Zuhörers mit dem Gesühl wiedererrungener Freiheit.
Auf ihn folgte Mozarts herrliche Kantate „Preis der Gottheit",
nach deren Schluß Diakonus Lofsius die Kanzel bestieg und in
einer herzlichen Rede die Vorteile schilderte, die Deutschland durch
die Schlacht bei Leipzig errang, und zum Dank gegen Gott er¬
mahnte, der die deutschen Waffen fo ausgezeichnet gesegnet. Ein
feierliches „Herr Gott, dich loben wir" schloß die gottesdienstliche
Feier, der eine große Menschenmenge beiwohnte.
Nachmittags wurde die im benachbarten Steigerwalde ge¬
legene, ehemalige Napoleonshöhe durch eine zahlreiche, aus Mili¬
tär und Bürgern bestehende Versammlung aufs neue eingeweiht
und ihr Name in Friedrich Wilhelmshöhe umgewandelt. Zu diesem
Zwecke war der Platz mit der von Blumen reich umgebenen Büste
des Königs geschmückt worden.
Als es dunkel zu werden begann, glühte der Horizont von
unzähligen Feuern, die auf allen umliegenden Höhen und Bergen
brannten. Es waren ebensoviel Telegraphen, die Deutschlands
Jubel von Höhe zu Höhe, von einem Ende zum andern fort¬
pflanzten. Das gothaifche Schloß schimmerte wie ein in den Lüf¬
ten schwebender Feenpalast aus weiter Ferne. Es war ein feier¬
licher Anblick. — Plötzlich ertönte der Klang der Maria gloriofa,
vereint mit dem Klang aller übrigen Glocken der Stadt, aus dem