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Das Unionsparlament wurde am 20. März 1850 in der al¬
ten, baufälligen Augustinerkirche, die man im schnellsten Bau zu
einem Parlamentsgebäude umgewandelt hatte, unter Radowitz'
Leitung eröffnet. Im Chor tagte das Slaateuhaus, die Vertreter
der Regierungen, und im Schiff das Volksbaus, die vom Volke
gewählten Abgeordneten. Am 26. März feierte General v. Rado¬
witz, preußischer Minister und Freund des Königs, mit seiner Rede,
durch welche er dem Volkshause Ausschluß über die Absichten der
Regierung gab, einen wahren Triumph feiner Beredsamkeit. Satz
für Satz des Vortrages war von dem lauten Beifall der Abge¬
ordneten begleitet.
Leider hatten die Beratungen keinen Erfolg. Oesterreich brachte
fast alle Staaten auf seine Seite und berief schon im Mai 1850
von neuem den Bundestag nach Frankfurt a. M. Preußen mußte
auf seine Unionsbestrebungen verzichten und sich vor Oesterreich
beugen (Vertrag von Olmütz, November 1850).
Zu den Abgeordneten, die damals in Erfurt geweilt haben,
gehörte auch der spätere erste Reichskanzler, Fürst Otto von Bis¬
marck. Er hat während seines Aufenthaltes im Hause Anger 33
gewohnt (das heutige Bismarckhaus ist ein Neubau). Minister
von Radowitz nahm nach dem Mißlingen seines Planes den Ab¬
schied und verzog nach Erfurt. Er wohnte im Haufe Johannes-
straße 59 und liegt auch in Erfurt begraben. König Friedrich
Wilhelm IV. ließ feinem Freunde ein herrliches Grabdenkmal
fetzen, das wir heute noch auf dem Jnnen-Friedhof, nördlich der
Trommsdorffstraße, bewundern können. (Nach H. Krnfpe.)
85. Schlacht bei tiangenlalza.
27. 3uni 1866.
Rüstung zum Kampfe: Im Frühling 1866 rüstete Oester¬
reich sehr eifrig zum Kriege. Darum befahl auch Kaiser Wilhelm
zu Anfang Mai die Kriegsbereitschaft der gesamten preußischen
Armee.
Infolgedessen entwickelte sich schon in den ersten Maitagen in
Erfurt ein reges, kriegerisches Leben. Die besondere Lage als
Festung brachte es mit sich, daß die Stadt sofort in kriegsmäßi¬
gen Zustand gesetzt werden mußte. Die Brückenköpfe der Tore
wurden verengt und Palisaden (Schanzpfähle) gesetzt. Im Juni
wurden sogar nachts die Tore geschlossen und die Zugbrücken hoch¬
gezogen. Zuletzt erhielten die Bürger den Befehl, sich für einige
Tage mit Lebensmitteln zu versehen.
Abmarsch der Truppen: Mitte Mai rückte die Ersurter
Besatzung nach der sächsischen Grenze ab. Hier sammelte sich die
erste Armee, über welche Prinz Friedrich Karl, ein Neffe des
Königs, den Oberbefehl führte. Ein Teil der Befatznng blieb
beim Ersatzbataillon 71 zurück. Wehmütig schauten diese Truppen