Full text: Deutsche Geschichte mit entsprechender Berücksichtigung der sächsischen (Kursus 1)

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ewzigen Diener begleitet, die Reise nach Italien. Nur auf Umwegen 
konnte er dahin gelangen, denn die eigentlichen aus Deutschland nach 
Italien führenden Alpenpässe hielten feine Feinde besetzt, um es ihm 
unmöglich zu machen, sich vom Banne zu lösen. Die Reise war mit 
furchtbaren Schwierigkeiten verbunden, denn sie führte über hohe, in die 
Wolken ragende Berge, über verschneite Abgründe und über mächtige 
Lrsselder und Gletscher. Auf Händen und Füßen kriechend, aus dem 
Bauche oder Rücken die Abhänge hinabgleitend, suchte man vorwärts zu 
kommen; die Kaiserin mußte in Ochsenhäute gewickelt und so herabge¬ 
schleift werden; den Pferden band man die Beine zusammen und zog 
sie an Stricken herab. 
Endlich war Italien erreicht. Gregor befand sich eben ans dem 
Wege nach Deutschland. Da er nicht wußte, in welcher Absicht Heinrich 
kam, begab er sich nach dem festen Schlösse Canossa. Hierher lenkte 
der gebannte König feine Schritte. Aber der Papst wollte von keiner 
Aussöhnung wissen. Heinrich, der keinen andern Ausweg wußte, 
bentütbißte sich tief vor ihm: Drei Tage laug staub er in bittrer 
Winterkälte — es war im Januar des Jahres 1G77 — im Büßer- 
gewaude, mit nackten Füßen und bloßem Haupte, ohne Speise und Trank 
unter freiem Himmel im Schloßhofe zu Canossa und bat um Einlaß. 
Erst am vierten Tage ließ sich Gregor durch die Bitten seiner Umge¬ 
bung erweichen. Heinrich erhielt Zutritt und wurde vorläufig 
vom Banne losgesprochen; doch mußte er vorher versprechen, der 
Regierung so lange zu entsagen, bis Gregor auf einem Reichstage ent¬ 
schieden haben würde, ob er König bleibe könne oder nicht. — Dieser 
Aussöhnung solgte ein feierlicher Gottesdienst. Nach Beendigung des¬ 
selben rief der Papst Heinnch an den Altar, nahm vor den Augen der 
versammelten Menge eine Hostie, zerbrach sie in zwei Stücke und ge¬ 
noß die eine Hälfte, indem er Gott anrief, er möge ihn eines augen¬ 
blicklichen Todes sterben lassen, wenn er der Verbrechen wirklich schuldig 
sei, die ihm der König zur Last gelegt habe. Darauf reichte er dem 
letzteren die andere Hälfte und forderte ihn auf, dasselbe zu thun. Das 
konnte der König freilich nicht; er wies die Hostie zurück, und voll 
Zorn und Ingrimm über diese neue Schmach und Kränkung schied er 
von Gregor. 
5. Die deutschen Fürsten warteten die päpstliche Entscheidung nicht 
ab; sie erklärten vielmehr Heinrich für ab gesetzt und wähl¬ 
ten den Herzog Rudolf von Schwaben zum König. Als Hein¬ 
rich dies hörte, kehrte er fofort aus Italien nach Deutschland zurück; 
er war entschlossen, feine Krone aufs äußerste zu vertheidigen. Während 
sein Gegner namentlich die Sachsen ans seiner Seite hatte, wurde er 
besonders von den rheinischen Städten unterstützt. Bei Mölsen 
(— unweit Merseburg —) kam es zum Eulscheidungskampse; zwar wurde 
Heinrich besiegt, aber Rudolf empfing eine tödtliche 
Wunde: er verlor die rechte Hand, und ein gewaltiger Streich traf 
den Unterleib. Sterbend hob er die abgehauene Rechte mit der Linken
	        
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