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Dritte Periode.
Vom Ausbruche der großen französischen Revolution
bis zur Gegenwart, 1789—x.
I. Die Revolution und Napoleons I Kaiserherrschaft
1789—1815.
§ 88.
Die Revolution in Frankreich.
1. Ursachen der Revolution. Die große Revolution,
welche am Ende des 18. Jahrhunderts Frankreich völlig umge¬
staltete und auch die übrigen Staaten Europas in heftige
Kämpfe verwickelte, ging aus der Verderbnis hervor, in welche
das französische Staatswesen geraten war. Dem prachtliebenden
und eroberungssüchtigen Ludwig XIY (§ 74) war auf dem
Throne sein Urenkel Ludwig XV (1715—1774) gefolgt, ein
König, dem es an aller Herrscherkraft und Herrschertugend
fehlte. Die Verschwendung seines Vorgängers setzte er
fort, so daß dem Lande eine unerträgliche Schuldenlast auf¬
gebürdet wurde. Entsetzlich war das Sitten verderben,
das an seinem Hofe herrschte. Während dadurch das Königtum
herabgewürdigt wurde und die Achtung des Volkes verlor,
verbreitete die Willkürherrschaft, welche auf dem Laude
lastete, Unwillen und Haß gegen die Regierung, und schwerer Ab-
gabeudruck erregte die Unzufriedenheit des zahlreichen Bürger¬
und Bauernstandes, der von den Vorteilen der beiden höheren
Stände des Adels und der Geistlichkeit, welche bei geringer
Besteuerung zwei Dritteile der Ländereien besaßen und alle
höheren und einträglichen Ämter inne hatten, ausgeschlossen war.
2. Anfang der Revolution. Ludwig XVI (1774—1792),
ein Enkel Ludwigs XV, war ernsthaft bemüht, der Not, in
welche vor allem die stets zunehmende Staatsschuld das Land
gebracht, abzuhelfen. Er berief daher eine
Versammlung der Reichsstände,
d. h. Abgeordnete des Adels, der Geistlichkeit und des Bürger-
staudes nach Versailles. Allein bald erhob sich Streit unter
1789
5. Mai