Full text: Neuere Geschichte (3. Bdchen)

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Freude in der Stadt, und als er sich zu Pferde zeigte, jauchzte 
ihm alles zu. ^ . . . 
Schweden befand sich bei seiner Rückkehr in der schwierig¬ 
sten Lage; die Zahl seiner Feinde hatte sich um zwei vermehrt: 
Preußen und England. So kam das Unglücksjahr 1715 tu 
welchem eine vereinigte Armee von Däueu, Sachsen, Preußen 
und Russen vor Stralsund erschien, um dasselbe zu belagern. 
Veraebens that Karl bei der Verteidigung Wunder der Tapfer¬ 
keit; am 23. Dezbr. 1715 mußte die Stadt den Feinden über¬ 
geben werden. Karl ging hierauf nach Schweden hinüber und 
machte einen Einfall in Norwegen. Im I. 1718 unternahm 
er die Belagerung der kleinen Festung Friedrichshall und 
betrieb dieselbe mit großem Eifer. Am 11. Dezember, einem 
Sonntage, hatte er vor- und nachmittags die Predigt ange¬ 
hört. Am Abend ging er mit dem Ingenieur Megret und 
dem General-Adjutanten Signier, zwei Franzosen, nach den 
Laufgräben, stützte sich mit beiden Armen auf die Brustwehr 
und sah den Arbeitern zu. Als die beiden Offiziere hinkamen, 
war er tot. Eine Kugel war ihm mitten durch den Kopf ge¬ 
gangen. Man glaubte allgemein, daß die beiden ihn ermordet 
hätten, und Signier nannte sich auch später in einem Fieber- 
ansalle den Mörder des Königs. 
In Karl XII. starb ein Held im vollkommensten Sinne des 
Wortes. Er besaß großen Verstand und einen Mut, der an 
Verwegenheit grenzte. Vor seinem sesten, eisernen Willen 
schwanden alle Hindernisse. Anstrengungen und Strapazen 
mochten nicht den geringsten Eindruck auf ihn. Im Winter 
wärmten glühende Kohlen fein Zelt; Pelz trug er nie, und 
zum Nachtlager hatte er ein Strohbett. Die Strenge, die er 
an sich selbst übte, ließen ihn auch au andere hohe Forderungen 
stellen. — Auch sein Äußeres war angenehm. Er war groß 
und schlank gewachsen, von gerader Haltung, breitschultrig von 
Gestalt, von bräunlicher Gesichtsfarbe, und seine blauen Augen 
strahlten mit großer Lebendigkeit. In allen seinen Bewegungen 
gab sich große Körperkraft zu erkennen. Seine Kleidung war 
höchst einfach. Er trug einen Rock von blauem Tuche mit 
übergoldeten Messingknöpfen und gelbe Unterkleider. Um den 
Leib geschnallt trug er ein einfaches Degengehäng. Seinen 
kleinen dreieckigen Hut hielt er, sobald er vom Pferde gestiegen 
war, in der Hand. Er sprach wenig, aber mit Verstand und 
großer Bestimmtheit; auf sein Wort konnte man sich jederzeit 
verlassen. Aufrichtige Gottesfurcht und ein unbefleckter Wandel 
vor Gott und den Menschen zeichneten ihn aus; aber sein 
Eigensinn führte ihn ins Unglück. 
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