6 Die Begründung des brandenburgisch-preußischen Staates.
überhand genommen, und gotteslästerliches Fluchen, wie man es
von den Landsknechten gelernt hatte, und wunderlichster Aberglaube
waren unter dem Volke weit verbreitet.
Auch das alte, stolze Selbstbewußtsein war den Deutschen
geschwunden. Mit Bewunderung staunte man alles Ausländische
und Fremde an und,ahmte die Lebensgewohnheiten, die Sitten und
Unsitten der Ausländer nack. als ob man sich seines deutschen Wesens
schäme. Nach französischer Mode bedeckten die Männer ihr Haupt
mit langen Lockenperücken, und die Frauen erschienen in weiten
Reisröcken und engen Schnürleibern. Ja, auch in die deutsche Sprache
mengte man fremde Worte, daß sie kaum noch als deutsche zu er¬
kennen war.
c) Die Ohnmacht des Deutschen Reiches. Der 30jährige
Krieg hatte auch die Einheit des D eut schen Reiches fast
vollständig vernichtet. Der Kaiser war zwar noch dem Namen
nach das Oberhaupt des Reiches, aber er hatte über dieses fast keine
Macht mehr. Ohne Zustimmung des Reichstages, der damals
feinen ständigen Sitz in Regensburg hatte und aus 240 Abgesandten
der Stände zusammengesetzt war, konnte der Kaiser weder über Krieg
und Frieden beschließen, noch Gesetze erlassen und ein Heer ausrüsten.
Die deutschen Reichsfürsten waren selbständig regierende Herren
in ihren Ländern geworden, die, ohne den Kaiser zu fragen, Krieg
führen und Bündnisse sogar mit ausländischen Fürsten abschließen
dursten, wenn es für sie von Vorteil war und nicht gegen Kaiser
und Reich ging. So war Macht und Ansehen des Deutschen Reiches
geschwunden.
d) Der Verfall des Wirtschaftslebens in Stadt und
Land. Auch das ganze Wirtschaftsleben im Deutschen Reiche
war durch den großen Krieg vollständig zurückgegangen. Die G e-
werbtätigkeit in den entvölkerten Städten lag darnieder. Die
Handwerker besaßen leine Mittel, um sich die Rohstoffe zur Ver¬
arbeitung anzuschaffen. Und hatten sie mit Not und Mühe Ver¬
kaufsgegenstände hergestellt, so fehlte es an Käuferu._da kein Geld
im Lande war. Der Handel, namentlich der überseeische, ging
ganz an die Ausländer über; denn auch die alten Hansastädte hatten
durch den Krieg den letzten Stoß erhalten. Früher waren deutsche
Kaufleute ins Ausland gezogen, hatten dort ihre Waren abgesetzt
und Geld heimgebracht; jetzt kam der fremde Kaufmann ins Land,
bot feine Waren aus und zog das Geld aus dem armen, deutschen
Lande. Ein besonders trauriges Los hatte der Bauernstand.
Nicht nur daß er ganz und gar verarmt war, er ging auch mehr
und mehr den letzten Rest seiner Frei i t verloren, und die Meinung