Moritz von Sachsen; das Interim. 95
Sachsen zu erlangen. Bei Mühlberg wnrde Letzterer geschlagen (1547) und
fiel selbst in die Hände seiner Feinde; schon war er zum Tode verurteilt, da schritt
Joachim von Brandenburg, feiner Zusage gemäß, vermittelnd ein. Er eilte in das
kaiserliche Lager und besänftigte den Zorn Karl's V. so weit, daß das Todes-
nrtheil zurückgenommen wurde. Das Kurfürstenthum freilich mußte Johann
Friedrich an seinen Neffen Moritz abtreten, welcher so den erhofften Lohn
seines Verraths erlangte. Landgraf Philipp von Hessen ergab sich dem
Kaiser, nachdem ihm durch Moritz von Sachsen und durch Joachim von Bran¬
denburg die Zusicherung erwirkt worden war, daß ihm diese Ergebung „weder
zur Leibesstrafe, noch zu einiger Gefangenschaft" dienen solle. Der kaiser¬
liche Unterhändler hatte jedoch in dem Vertrage jene Worte heimlich dahin
abgeändert, daß es hieß, „weder zur Leibesstrafe, noch zu ewiger Gefangen¬
schaft." Als nun dem Landgrafen, nachdem er alle festgesetzten Bedingungen
erfüllt hatte, gegen die fürstliche Abrede Gefangenschaft angekündigt wurde,
so fuhr Joachim in stolzer Entrüstng gegen den Herzog Alba aus: „Das
ist ein Bösewichtsstück und spanische Ränke!" ries er und drang mit dem
Schwerte aus den Spanier ein; nur mit Mühe gelang es seinem Marfchall
von Trotha, ihn von einer Gewaltthat zurückzuhalten. Seitdem aber hörte
er nicht auf, den Kaiser um die Befreiung des Landgrafen immer wieder an¬
zugehen.
Karl V. trat jetzt mit feinen Absichten gegen die Evangelischen offener
hervor, da er glaubte, jeder Schonung gegen dieselben überhoben zu fein.
Auf dem Reichstage zu Augsburg erließ er das sogenannte Interim, wel¬
ches die Religionsangelegenheiten bis zur Entscheidung der allgemeinen Kirchen¬
versammlung regeln sollte, jedoch säst durchweg die Katholiken begünstigte und
den Protestanten nur die Priesterehe unb das Abendmahl in beiderlei Gestalt
ließ. Kurfürst Joachim suchte dennoch um bes Friebens willen diese Vor¬
schrift auch in den Marsen zur Geltung zu bringen, aber er scheiterte damit
an dem entschiedenen Widerstande der eifrigen evangelischen Geistlichen. Jo¬
hann von Küstriu hatte sich schon auf dem Reichstage selbst mit der größten
Kraft dem Interim widersetzt. Als man ihm dasselbe zur Unterschrift vor¬
legte, soll er ausgerufen haben: „Lieber Blut als Tinte;" er mahnte ben Kaiser
mit der größten Freimüthigkeit an sein Versprechen, nichts gegen den Glauben
zu unternehmen. (1548.)
Moritz von Sachsen, welcher dem Kaiser zuerst zum Siege über die evan¬
gelischen Fürsten verholsen hatte, war cs auch, durch welchen die protestan¬
tische Sache bald darauf wieder zu neuem Ansehen gelangte. Das erste Ziel
seines Ehrgeizes, die Kurwürde, hatte Moritz erreicht; jetzt erkannte er aber,
wie sein Beistand des Kaisers Macht in Deutschland auf bedenkliche Weise
gehoben hatte, und wie Karl diese Macht ebenso gegen die Selbstständigkeit
der Fürsten, wie gegen den evangelischen Glauben anzuwenden bedacht war.
Ueberdies fühlte er sich durch des Kaisers Treulosigkeit gegen Landgraf Phi¬
lipp persönlich verletzt, da er selbst sich mit Joachim für dessen Freiheit ver¬
bürgt hatte. Endlich mochten auch das Bewußtsein seines Verraths am eige¬
nen Glauben und die deshalb gegen ihn laut erhobenen Vorwürfe ihn quälen.
Kurz, er beschloß, die Freiheit, welche er unterdrücken geholfen, Deutschland
wieberzugeben, wäre es auch burch einen neuen Verrath am Kaiser selbst, der