Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Ansprache an daS StaatSimmsterium. 495 
sichten über die Bedürfnisse des Landes voraussetzte. Der frühere Minister 
des Innern von Westphalen war bereits wegen Meinungsverschieden¬ 
heit über die Einsetzung der Regentschaft aus dem Amte geschieden, der Mi¬ 
nister-Präsident von Manteuf fel und die meisten übrigen Minister wur¬ 
den bald darauf in Gnaden entlassen. An die Spitze des neuen Ministeriums 
berief der Regent (5. Novbr. 1858) ven Fürsten Anton von Hohen- 
zollern-Sigmarin gen, welcher seit seiner freiwilligen Abtretung der 
Sigmaringenschen Lande im preußischen Militärdienste, zuletzt als General 
in Düsseldorf gelebt und zum Priuzeu vou Preußen schon lange in engen 
freundschaftlichen Beziehungen gestanden hatte. 
Als der Regent das neue Ministerium zum ersten Male um sich ver¬ 
sammelte, bezeichnete er in einer bedeutsamen Ansprache die Ge sammt- 
richtung seiner Regierungsabsichten. Die Entlassung des vorigen 
Ministeriums und die Berufung von Männern, welche theilweife zu den ent¬ 
schiedenen Gegnern desselben gehört hatten, war vielfach als ein Anzeichen 
einer völlig veränderten Richtung der Regierung aufgefaßt worden, und es 
knüpften sich darau hier und da übertriebene Erwartungen in Bezug auf eine 
bevorstehende Umgestaltung der öffentlichen Verhältnisse. Dem Regenten 
war daran gelegen, dem gegenüber seine wirklichen Absichten klar anzudeuten 
und jenen unberechtigten Auffassungen von vorn herein entgegenzutreten. 
Dies geschah namentlich durch jene Ansprache an das Staatsmini¬ 
sterium. Er hob zuvörderst hervor, daß er die Schwere des Augenblickes, 
in welchem er die ersten Räthe der Krone zum ersten Male um sich versam¬ 
mele, um so tiefer empfiude, weil ein unglückliches Verhängniß ihn in feine 
Stellung berufen habe. Die Pietät gegen seinen schwer heimgesuchten König 
und Herrn habe ihn lange schwanken lassen, wie Manches, das er unter dessen 
Regierung wahrgenommen, in eine bessere Bahn wieder überzuleiten sei, ohne 
seinen brüderlichen Gefühlen und der Liebe, Sorgfalt und Treue, mit welcher 
sein allergnädigster Herr die Regierung geführt, zu nahe zn treten. 
Wenn er sich jetzt habe entschließen können, einen Wechsel in den Räthen 
der Krone eintreten zn lassen, so sei es geschehen, weil er bei allen von ihm 
erwählten Ministern dieselbe Ansicht getroffen, welche die seinige sei: daß 
nämlich von einem Bruche mit der Vergangenheit nun und nimmermehr die 
Rede sein solle. Es solle nur die sorgliche und bessernde Hand an¬ 
gelegt werden, ivo sich Willkürliches oder gegen die Bedürfnisse der Zeit Lau¬ 
fendes zeige. Von allen Berufenen werde anerkannt, daß das Wohl der Krone 
und des Landes unzertrennlich sei, daß die Wohlfahrt beider auf gesunden, 
kräftigen, conservativen Grundlagen beruhe. Diese Bedürfnisse richtig tJu er¬ 
kennen, zn erwägen und ins Leben zu rufen, das sei das Geheimniß der Staats¬ 
weisheit, wobei man sich von allen Extremen fern halten müsse. Die Aufgabe 
werde in dieser Beziehung keine leichte sein, denn im öffentlichen Leben zeige 
sich seit Kurzem eine Bewegung, die, wenn sie teilweise erklärlich sei, doch 
andererseits bereits Spuren von absichtlich überspannten Ideen kund gäbe, 
denen durch ein eben so besonnenes, als gesetzliches uud selbst energisches Han¬ 
deln entgegen getreten werden müsse. Versprochenes müsse man treu halten, 
ohne sich der bessernden Hand dabei zu entschlagen, nicht Versprochenes müsse 
man nöthigen Falls mnthig verhindern. Vor Allem sei vor der stereotypen
	        
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