lambogräptiefl.
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derselben Zeit, wo bei den Griechen sich die Ele¬
gie aus dem bisher allein herrschenden Epos her¬
ausbildete, entstand auch die iambische Poesie; aber
während die Elegie durch Beibehaltung des daktyli¬
schen Versmaßes und der epischen Sprachweise sich
noch eng an das Epos anschloß, schlug die iambische
Poesie, die es sich als Zweck vorgesetzt hatte, das
Mangelhafte, Schwache und Schlechte in den
menschlichen Verhältnissen und der menschlichen
Natur schonungslos aufzudecken und anzugreifen,
muthig und keck in sprachlicher und metrischer
Hinsicht eine ganz neue, eigenthümliche Bahn ein.
Die Sprache ist, abweichend von dem Epos,
einfach und schmucklos und von der Ausdrucks¬
weise des gewöhnlichen Lebens entlehnt; das iam¬
bische Versmaß aber gehört dem s. g. doppelten
Rhythmengeschlecht {yevoq Sinläoiov) an, in
welchem die Arsis die doppelte Länge der Thesis
hat, und zeigt, gegenüber dem ruhigen daktyli¬
schen Versmaße, in welchem Arsis und Thesis
von gleicher Länge sind, etwas Leichtes, Beweg¬
liches, keck Angreifendes. Jambos hieß ursprüng¬
lich das an den Festen der Demeter übliche Necken
und Spotten, und wahrscheinlich hat die iambische
Dichtungsart ihre erste Entstehung in jener Eigen¬
thümlichkeit des Demetercultes (Jambe heißt eine
Magd der Demeter); ihre künstlerische Ausbildung
2 aber verdankt sie dem genialen Geiste des Archi-
lochos von Paros. Dieser muß als der eigent¬
liche Schöpfer diefer Dichtungsart und als Er-1
finder des dabei angewandten jambischen Trime¬
ters angesehen werden, sowie er denn überhaupt
für die Ausbildung der griechischen Verskunst von
größter Wichtigkeit ist, indem er eine große Menge
neuer Metren erfand. Er war der Sohn des
Telefikles, welcher Ol. 15. oder 18. (720 oder 708
v. E.) eine Eolonie von Paros nach Thasos
führte. Archilochos begleitete seinen Vater dort¬
hin; da er sich aber in seinen Erwartungen ge¬
täuscht fand, verließ er die Insel wieder und be¬
gab sich, wahrscheinlich nach längerem Umher-,
wandern, nach Paros zurück, wo er in einem
Kriege gegen Naxos gefallen sein soll. Er war
ein Mann von reizbarer Gemüthsart, voll Bitter¬
keit und Schmähsucht, der, in sich selbst unglück¬
lich, mit seiner Welt in steten Kämpfen und Zer¬
würfnissen lebte. Am meisten erfuhr feinen
Zorn die Familie des Lykambes. Dieser hatte
ihm die jüngere seiner Töchter, Neobule, zur
Ehe versprochen; später aber brach er sein Wort
und wurde nun mit seinen Töchtern von Archi¬
lochos in so bitteren und schonungslosen Jamben
angegriffen und gelästert, daß sie sich sämmtlich
aus Scham und Verzweiflung erhängt haben
sollen. Wenn auch dieser letzte Zug der Erzäh¬
lung sagenhaft ist, so charafterifirt er doch das
Vernichtende der archilochischen Jamben. Archi¬
lochos war als Dichter sehr vielseitig; außer den
Jamben dichtete er Elegieen und Epigramme,
trochäische Tetrameter, Epoden, Hymnen n. s. w.
Doch haben wir von seinen in alt-ionischem Dia¬
lekte geschriebenen Gedichten nur noch eine Anzahl
kleiner Fragmente (heransg. von Siebet, 2. Aufl.
1818). Auch in der Musik leistete Archilochos
Bedeutendes. Die Alten hielten ihn sehr hoch;
sie stellten ihn mit Homer, Pindar und Sopho¬
kles ans eine Stufe. Cic. or. 1, 2. Val. Max.
ö; 3. Veil. Pat. 1, 5, 2. Longin. de suhl. 33,
5. An Archilochos schließt sich sein jüngerer Zeit- ^
genösse Simonides von Amorgos, des Krines
Sohn, an, der 2 Bücher Elegieen und 2 Bücher
Jamben dichtete. Auf Samos geboren, führte er
eine Eolonie nach Amorgos; sonst wissen wir von
seinen Lebensverhältnissen nichts. Von seinen
Jamben sind Bruchstücke erhalten, worunter zwei
längere, von 24 und von 118 Versen. Das letztere
(carmen de mulieribus) enthält eine ullgemein ge¬
haltene Schilderung weiblicher Charaktere der
Art, daß er die verschiedenen schlechten Eigen¬
schaften der Weiber aus den charakteristischen
Eigenschaften der Thiere herleitet, von denen sie
abstammen sollen. Des Simonides Jamben ent¬
halten überhaupt allgemeinere Betrachtungen des
Lebens, Angriffe auf ganze Klaffen von Men¬
schen, nicht, wie die des Archilochos, auf einzelne
Personen. Dem Archilochos steht er an Geniali¬
tät und Kraft, wie an Grazie und Leichtigkeit
nach. (Sammlung der Bruchstücke von Welcker,
1835.) Der dritte Repräsentant der Jambenpoesie
ist Hipponax aus Ephesos, um Ol. 60 (540
v. E.) blühend. Er flüchtete vor den Tyrannen seiner
Vaterstadt Athenagoras und Komas nach Klazome-
nai; hierwahrscheinlich sanier in Zerwürfnis? mit den
beiden chiifchen Bildhauern Bupalos und Athenis,
welche den kleinen, häßlichen Hipponax in einem
Earicaturbilde dargestellt hatten. Dafür rächte
sich ber Dichter durch beißende Jamben von sol¬
cher Schärfe, baß auch sie sich, wie bie Lykambiden
bes Archilochos, erhängt haben sollen. Hipponax
steht in ber leidenschaftlichen Bitterkeit dem Ar¬
chilochos nahe, er ist geistreich nnd witzig wie
dieser, ohne jeboch bessen Feuer uub Begeisterung
zu haben; auch ist er in feiner Satire weniger
persönlich. Eigenthümlich unb neu ist er in Be-
hanblung bes sambischen Verses; er setzte nämlich
in bem iambischen Trimeter an bie Stelle des
letzten Jambus einen Spondeus oder Trochäus,
wodurch der Laus des Verses plötzlich und aus
lächerliche Weise gebrochen und gelähmt wird.
Man nennt solche Verse Eholiatnben (Hinkiam-
ben, Skazonten). Außer den jambischen Gedich¬
ten verfaßte Hipponax auch Parodiern, als deren
Erfinder er von Manchen genannt wird. Auch von
ihm sind nur noch Bruchstücke vorhanden. Wahr¬
scheinlich Zeitgenosse des Hipponax war Ananios,
dem auch von Einigen die Erfindung derHinkiambeu
zugeschrieben wurde, während Andere so unterschei¬
den, daß Hipponax den Skazon, Ananios denJschior-
rhogikos, der auch im fünften Fuß schon einen Spon¬
deus hat, erfunden habe (Samml. ber Bruchstücke des
Hipponax und Ananios von Welcker, 1817, der Eho-
liamben von Meineke in Lachmanns Ausg. des
Babrios). — Unter den älteren Jambographen 4
erwähnen wir noch den Solon, der in feiner
humanen Weife den Jambos weniger zum An¬
griff als zur Vertheidigung gebrauchte gegen
solche, die ihn wegen feiner politischen Thätigkeit
angriffen. Wir haben von seinen Iamben noch
einige Fragmente, worunter ein größeres von
21 Versen. Von späteren Jambendichtern nennen
wir Aischrion ans Samos oder Mytilene (332
v. C.), Phoinix ans Kolophon (um 308 v. C.),
Parmenon ans Byzanz, Hermeias aus Ku¬
rion, Herodes oder Herondas ans der Alexan-
drinischen Periode, Erfinder der s. g. Mimiam-
1)en, kleiner Charaktergemälde mit spöttischer