Nursia —
Feste, auf welche jedoch Witwen keine Rücksicht
zu nehmen hatten. Als besonders günstig galt
aber die zweite Hälfte des Juni. Die Förm¬
lichkeiten und Gebräuche waren jedoch verschieden,
je nachdem man entweder eine strenge Ehe, wo¬
durch die Frau in die manus des Mannes über¬
ging und mater familias wurde, oder eine freie
Ehe zu schließen beabsichtigte, wobei die Frau
blos uxor wurde und in der patria potestas
oder sui iuris blieb. Für diese Ehen waren be¬
sondere Ceremonien nicht wesentlich und noth¬
wendig, nur die deductio in domum mariti mußte
stattfinden. Dagegen war die andere Art der
Ehen voll symbolischer Geränche. Am Hochzeits¬
tage selbst legte die Braut die toga praetexta
ab und weihte sie der Fortuna virginalis; sie
trug einen aus Schafwolle geknüpften Gürtel,
über das Gesicht einen Schleier (tlammeum), feue»
sarben und eitronengelb, was die Festfarbe ge¬
wesen zu sein scheint. Der Uebertritt in das Haus
3 des Bräutigams erfolgte theils in der Form einer
Entführung, theils in einem feierlichen Zuge,
worauf sich die Ausdrücke uxorum ducere, ab¬
gekürzt aus uxorem domum ducere, vom
Manne, und viro uubere von der Frau beziehen.
Dieser Zug — je zahlreicher, desto glänzender,
uud nicht blos von den beiderseitigen Verwandten
und Freunden, sondern auch vom neugierigen und
müssigen Volke gebildet — fand gewöhnlich Abends
statt. Von Fackeln begleitet und unter Flöten-
klang zog die Braut zu Fuß einher mit Spindel
und Spinnrocken in der Hand. Zwei Knaben,
deren Eltern beide noch am Lehen waren — pa-
trimi et matrimi — und ein Opserknabe begleiteten
sie. Das Haus des Bräutigams war festlich be¬
kränzt und geschmückt. Ter. Adelpli. 5, 7, 6.
Juv. 6, 51. Die Thürpfosten nmwand sie, um
ihre Keuschheit zu bezeugen, mit wollenen Binden,
und um Bezauberungen abzuwenden, bestrich sie
dieselben mit Schweinefett. Plin. 22, 2, 28. 9,
37. Ueber die Schwelle des Hauses wurde sie
gehoben (Plut. Born. 15. Catull. 61, 166.) und
trat dann auf ein ausgebreitetes Schaffell. Dabei
ertönte der Ruf Talassio! Liv. 1, 9. Beim Ein¬
tritt in das Haus wurde sie gefragt, wer sie sei;
sie antwortete: ubi tu Gaius, ibi ego Gaia; man
4 übergab ihr die Schlüssel des Hauses. Es folgte
das vom Bräntigam veranstaltete Festmahl (coena
nuptialis), von Musik und Gesang begleitet; vor¬
züglich ertönte unter Flötenbegleitung der Hoch¬
zeitsgesang (epithalamium, hymenaeus). Für
dieses Mahl gestatteten auch die Gesetze einen
verhältnißmäßig großen Aufwand. Unter die vor
dem Hause versammelte Jugend hatte der junge
Ehemann Nüsse auszuwerfen. Catull. 61, 128.
Verg. E. 8, 30. Nach dem Mahle brachte eine
verheirathete Frau, gleichsam die Stellvertreterin
der luno pronuba, die junge Frau ins Schlaf¬
gemach und legte sie in das mit der Toga be¬
deckte Brautbett (lecto collocare), und nun erst
begab sich der Mann zu ihr ins Gemach. Draußen
sang man nicht blos Hymeuäen, sondern auch
derbe Spottlieder. Am andern Tage gab der
junge Mann noch ein Mahl, repotia genannt
(Hör. sät. 2, 2, 60.); die Gäste und Verwandten
brachten dem jungen Paare Geschenke dar, und
die junge Frau verrichtete ihr erstes Opfer im
neuen Haufe. Vgl. Becker, Gallus 11, S. 20 ff.
Nyinpliae. <
Roßbach, römische Hochzeits- und Ehedenkmäler
(1871).
Nursia, Novqolcc, Stadt im hohen Sabiner¬
gebirge am obern Lauf des Nar, Geburtsstadt
des Sertorius (Plut. Sert. 2.) und der Mutter
des Kaisers Vespafianus (Suet. Vesp. 1.), j. Norcia.
Nut rix. Die römischen Mütter stillten vor
Alters ihre Kinder selbst (doch vgl. Liv. 3, 44.,
wo die nutrix der Virginia erwähnt wird);
später wurden die Ammen sehr gewöhnlich, we¬
nigstens bei den Vornehmen, ja fogar griechische
Ammen, überhaupt extemae et barbarae na-
tionis (Gell. 12, 1.).
Nux, HciQvcc, alle Baumfrüchte mit etwas rauher
oder harter Schale, wie Kastanien, Mandeln,
Eicheln re., besonders aber die Wallnuß, iuglans.
Sie waren ein Hauptspielwerk der Kinder, daher
nuces reliuquere, das Spielen ausgeben, dem
Ernste sich zuwenden. _
Nykteus s. Ampbion.
Nyktimos s. Lykaon.
Nv/Lupaytoyos s. Ehe, 1, 4.
Nympliae, Nv(icpcu, d. i. die verhüllten, also l
jungfräulichen Göttinnen. Die Nymphen bilden
eine zahlreiche Classe untergeordneter Gottheiten,
welche das lebendige Weben und Schaffen der
Kräfte der Natur in allen Kreifen derselben als
persönliche Wesen repräsentiren. Sie wohnen auf
der Erde, auf Bergen und in Hainen, an Quellen,
Missen und Strömen, in Thälern und Grotten,
auf Wiese und Feld; aber bisweilen kommen sie
auch hinauf auf den Olympos, um an den allge¬
meinen Götterversammlnngen Theil zu nehmen.
Hom, II. 20, 8. Wir müssen von der Nymphen¬
schaar im Ganzen einzelne Persönlichkeiten ans-
nehmert, die für sich besonders ausgebildet sind
und unter eigenen Namen vorkommen, wie die
Nymphe Kalypso, die Tochter des Atlas, Kirke,
Phaethusa und Lampetia, die Töchter des Helios.
Die Nymphen im engeren Sinne, die Töchter des
Zeus, haben bei Homer ihre Wohnorte auf Ber¬
gen, in Hainen, Wiefen und an Quellen (II. 6,
420. 20, 8. Ocl. 6, 123. 17, 240.) und sind die
wohlthätigen Geister dieser Orte, ohne jedoch eng
mit' denselben verknüpft uud mit ihrer Thätigkeit
in einseitig beschränkter Weise an die Naturgegen¬
stände gebunden zu sein; sie leben frei und selb¬
ständig in der Natur, sie jagen das Wild, tanzen
fröhliche Reigen, weben in kühlen Grotten, pflan¬
zen Bäume und sind auf die verschiedenste Weise
den Menschen hülfreich. Oft find sie in der Um¬
gebung höherer Gottheiten, wie namentlich der
Jägerin Artemis. Hom. Od. 6, 105. 9, 154. 12,
318. 13, 107. In einer Stelle des Homer (Od. 2
10, 350.), welche übrigens jüngeren Ursprungs ist,
heißt es, daß die Nymphen aus Quellen und Flüssen
und von Hainen entstehen, während sie sonst Töchter
des Zeus heißen; darnach wäre also ihre Existenz
an die Naturgegenstände gebunden, sie entständen
und vergingen mit den Naturerscheinungen, in
denen sie walten, eine Vorstellung, die in späterer
Zeit die herrschende ist. So heißt es (hymn. in
Ven. 259 ff.) von den Dryaden, sie zählten nicht
zu den Sterblichen und nicht zu den Unsterblichen,
sie lebten lange, äßen ambrosische Speise und
verkehrten mit den Göttern, „Hermes und die
Silene pflegten mit ihnen der Liebe, unb es ent¬
stehen hochwipslige Bäume, bie lange stehen, bis