Full text: Deutsche Sozialgeschichte

Erste Halste deS neunzehnten Jahrhundert?. 
Sozialismus. 
begünstigt. Das erbitterte die freigesinnten, besitzenden Bürger; die 
Gärung im Volke stieg, und schließlich kam es in Paris Juli 1830 
zum Aufruhr. Für die Interessen der Bürger kämpften dabei die 
Arbeiter, sahen sich aber in der neuen Verfassung um denverdienten 
Lohn gebracht. Denn das aktive Wahlrecht ward an eine Steuer 
von mindestens 300, das passive an eine von 1000 Franken ge¬ 
bunden. Für die Besitzenden galt nun die Losung: sich bereichern. 
Der Millionäre wurden immer mehr, aber auch der Proletarier. 
Wegen Arbeitslosigkeit erhoben 1831 die Seidenarbeiter in Lyon 
einen Aufstand und schrieben auf ihre Fahnen: vivre en travaillant 
ou mourir en combattant (leben und arbeiten oder im Kampfe 
sterben). Viele Agitatoren, unter denen Rousseausche Gedanken 
(s. S. 93) wieder lebendig wurden, nährten die Arbeiterbewegung 
durch Reden und Schriften. Unter diesen wurde besonders wichtig 
die 1838 erschienene und „Die Organisation der Arbeit" betitelte 
von Louis Blanc. Er führt aus: an den durch die kapitalistische 
Produktionsweise entstandenen Schäden ist der Staat schuld. Er 
muß in die Vermögens - und Arbeitsverhältnisse gesetzlich eingreifen 
und die Organisation der Arbeit (der Quelle aller Güter) nicht 
Privatleuten überlassen, sondern selbst in die Hand nehmen. Pro¬ 
duktivgenossenschaften sind zu errichten, jeder nach seinen Fähig¬ 
keiten und Kräften zu beschäftigen. Die Begabtesten schulden der 
Gesellschaft am meistert, diese den Bedürftigsten. 
Solche und ähnliche Lehren werden als sozialistische*) be¬ 
zeichnet (auch in England waren sie aufgetaucht, hatten aber bei 
*) Sozialismus — das Wort stammt von dem 1871 gestorbenen 
Franzosen Leroux her — ist ein sehr schwankender Begriff. Im all¬ 
gemeinen handelt es sich dabei stets um Einigung der einzelnen in Ge¬ 
nossenschaften, und das Streben darnach trat von jeher unter den Men¬ 
schen hervor (Kirche und Staat z. B. sind sozialistische Einrichtungen). Im 
Gegensatz dazu steht der Individualismus, der für die einzelne Per-
	        
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