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Reforinationszeit.
Einheitliche
Schrift¬
sprache.
des ausgehenden 16. Jahrhunderts dagegen gewann auf keine der
mächtigen Strömungen im deutschen Leben bedeutenden Einfluß.
Über die Reformation war er sehr mißvergnügt, da sie ihm die
guten Versorgungsanstalten für die Kinder — Stifter, Klöster und
Orden — arg geschmälert hatte; und nun sah er sich jetzt auch noch
von den „Gebildeten" still oder laut verachtet! Einzelne Adlige
wurden dadurch veranlaßt, den Studien obzuliegen: nur dann
konnten auch sie hohe Stellungen an Fürstenhöfen bekleiden. Aus
dem Bauernstande aber drang erst allmählich etwas neue Kraft in
die Stuben der Gelehrten. Söhne von Landleuten wurden nämlich
öfter Dorfschullehrer; deren Nachkommen widmeten sich dann wohl
den Wissenschaften.
Durch seine Bibelübersetzung und die übrigen, das ganze Volk
erregenden Schriften hat Luther, wie Justus Jonas über seiner
Leiche sagte, „die deutsche Sprache wieder recht Herfür gebracht, daß
man wieder kann recht deutsch [ö. H. volkstümlich] reden und schrei¬
ben". Er scheute sich nicht, die Rede des „gemeinen" Mannes auf
der Straße zu belauschen und „den Leuten aufs Maul zu sehen",
hauchte dem üblichen Schrifthochdeutsch neuen, lebensfrischen Geist
ein und legte den Grund zu einer einheitlichen Schriftsprache, da¬
mit aber auch zu einer allen Ständen gemeinsamen geistigen Bil¬
dung. Obgleich also die Reformation die Spaltung innerhalb des
deutschen Volkes verschärfte, so hat sie andererseits doch auch den
Gegensatz zwischen Nord und Süd gemildert und ein festes geistiges
Band um alle Stände geschlungen.