Preußens Bedeutung. Tie Zeit vor dem großen Kurfürsten. 85
einig, der Hand des Fürsten „den Strick zu entwinden", und be¬
nutzten dazu die Geldverlegenheiten vor allem Joachims II. (seit
1535). Dieser geriet wegen seiner Verschwendung und infolge der
steigenden Entwertung der Edelmetalle in große Schuldennot und
scheute sich daher nicht, den Landständen gegen Zahlungen und sonstige
Hilfe obrigkeitlicheRechte auch über dieBauern zuzusprechen. Konnten
doch die Köckeritz und Lüderitz, die Kracht und Jtzenplitz und
die übrigen wegelagernden, unbotmäßigen Adligen, die Joachim I.
(fett 1499) nur vorübergehend unter seine strenge Hand zu beugen
gewußt — konnten sie doch leichter an friedliches Leben gewöhnt
werden, wenn sie über die Arbeitskraft der Bauern verfügten. Dies
war für sie um so wichtiger, da es bis zur Mitte des 18. Jahr¬
hunderts nur wenig Tagelöhner auf dem Lande gab. ^fter wurden
die Bauern roh behandelt. Klage zu führen war aber bedenklich;
denn 1540 ward bestimmt, jeder mit seiner Klage Abgewiesene solle
in den Turm wandern, „damit die andern sich dergleichen mutwilligen
Beklagens enthalten." Ferner ward 1572 den Rittern vom Kur¬
fürsten das Recht zugestanden, den Bauernhof gegen Entschädigung
mit seiner Wirtschaft zu vereinen, die Bauern zu „legen". Wegen
des Mangels an Tagelöhnern aber ward angeordnet, keiner dürfe
ohne schriftliche Erlaubnis des Gutsherrn fortwandern. Immer
schärfere Abzugsoerbote wurden erlassen, und bald zwang man sogar
die ledigen Landleute sich zu verheiraten und zu „setzen". Also erst
vergrößerte der Junker sein Land aus Kosten der Bauern und dann
nötigte er sie noch, ihm zu dienen.
So bestand Mitte des 17. Jahrhunderts die Mehrheit der länd¬
lichen Bevölkerung aus Lassiten, d.h. sie hatten ihren Hof gegen be¬
stimmte Abgaben und Dienste inne. Die Besitzrechte waren sehr ver¬
schieden; von Erblichkeit kann oft nicht geredet werden, vielmehr
durfte der' Gutsherr manche Bauern jeden Augenblick vom Hofe
schicken und neue einsetzen.