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Christentum eine ihnen gefährliche Macht erstehen, einen Staat im
Staate, und suchten es daher mit allen Mitteln zu unterdrücken. Ge¬
rade die besseren unter den Kaisern, ein Marc Aurel, Trajan, Dio¬
kletian erschöpften ihre Weisheit bei der Verfolgung der Christen.
Infolgedessen blieb die Verbreitung der christlichen Lehre lange auf
die Kreise der untern Volksschichten beschränkt. Erst allmählich wandten
sich auch einzelne der Gebildeten und Höhergestellten dem Glauben an
den gekreuzigten Christus zu. Namentlich seit der Regierung des
Kaisers Gallienus (260—268), der den Christen wenigstens Dul¬
dung gewährte, vermehrte sich die Zahl der Bekehrten bedeutend.
Sehr viele Christen fanden sich in den Heeren, auch die Menge der
hochgebildeten Männer, welche im Christentum Frieden suchten und
fanden, ward immer größer; trotzdem betrug die Zahl der Getauften
zu den Zeiten Diokletians erst ein Zwölftel der Gesamtbevölkerung
(ca. 150 Mill.), in der Westhälste des Reiches den 15., in den öst¬
lichen Ländern etwa den 10. Teil. Endlich vereinigten sich die zu
gleicher Zeit regierenden Kaiser Galerius, Licinius und Konstantin
(d. Große) dahin, ein Toleranzedikt (landesherrliche Verfügung kirch¬
licher Duldung) zu erlassen, welches am 30. April 311 in Nikomedia
in Bithymen veröffentlicht wurde. Die christliche Religion erhielt
dadurch als eine erlaubte eine gesetzliche Stellung im Staate, unter
der Bedingung, daß die Christen sich der Staatsordnung fügten; sie
sollten fortan „zu ihrem Gott beten für das Wohl der Kaiser und
des Reiches und für ihr eigenes".
Die Ausbreitung der Lehre vom Kreuze vollzog sich jetzt zwar
viel schneller, aber das Heidentum war noch lange nicht überwunden,
ja der Kaiser Licinius, der mit seinem Mitkaiser Konstantin in heißen
Kämpfen um die Alleinherrschaft rang, hat den letzten entscheidenden
Kampf als einen Entfcheiduugskampf zwischen den alten Göttern und
dem „neuen fremden Gotte" bezeichnet. Konstantin, in dessen Heere 323
das Kreuz (eigentlich das Monogramm Christi ^) bereits Feldzeichen
geworden war, siegte, doch erhob er die christliche Religion nicht zur
Staatsreligion. Er beförderte die Ausbreitung des Christentums,
berief auch Christen zu hohen Ämtern, steuerte zum Bau von Kirchen
bei, ober er legte seine Würde als heidnischer Pontifex maximus nicht
nieder, duldete auch keine Verfolgung der Heiden durch die Christen
und ließ sich erst taufen, als er sein Ende herannahen fühlte. Leider
hatten die Christen ihren schönsten Ruhm, strenge Sittlichkeit, Treue
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