Full text: Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts

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Anbau ist eine drückende Hungersnot, wie sie in früherer Zeit bei Mißernten 
ausbrach, ganz unmöglich gemacht. Darum drohten die einen mit Strafen, die 
anderen fetzten Belohnungen auf den Anbau derselben. 
Sorge für Gewerbe. Der Niedergang der Landwirtschaft hatte 
hemmend auf die Gewerbthütigkeit eingewirkt. Das Handwerk war so 
vernachlässigt, daß die meisten Waren aus dem Auslande bezogen werden 
mußten. Die eingewanderten Fremden brachten nun manche neue Er¬ 
werb szweige ein. Ihre rege Betriebsamkeit war von wesentlichen! 
Einfluß auf die Gewerbthütigkeit der neuen Heimat. Die Franzosen, 
von denen der Kurfürst mehr als 15 000 in sein Land aufnahm/) 
trieben Seidenbau und Seidenmanufaktur, Hut- und Handschuhmacher¬ 
gewerbe; die Holländer brachten die Papierfabrikation, die Schweizer 
verbesserten die Uhrenfabrikation, die Pfälzer führten Tabakbau und 
Tabakfabrikation ein. Bald entwickelten sich diese Gewerbe und hoben 
den Wohlstand des Landes in ungeahnter Weise.2) 
Der Tabak stand aber damals noch so hoch im Preise, daß das Rauchen 
dem gewöhnlichen Manne ein unbekannter Genuß war. Nuu ritt einst der Kur¬ 
fürst zur Jagd. In seinem Gefolge befand sich ein Mohr, der aus feiner kurzen 
Pfeife mächtige Rauchwolken in die Lust blies. Dieser traf im Walde auf ein 
altes Bäuerlein, das fleißig Holz hackte und dem Mohren auf feine Fragen recht 
kluge Antworten zu geben wußte. Beim Abschiede bot ihm der Mohr eine Pfeife 
Tabak an. Aber erschrocken sprang der Alte zurück mit den Worten: „Nee, 
gnädige Herr Düwcl, ick freete feen Füer!" 
Aber auch die einheimischen Gewerbe nahmen guten Auf- 
schwuug. Namentlich die Tuchmacherei in der Mark gelangte zur Blüte. 
Wolle durfte nicht mehr ausgeführt, fremde Tücher durften nicht mehr 
eingeführt werden. Zur Erweiterung der bestehenden Metallindustrie 
erhob sich eiue Reihe von Fabriken, it. a. ein Stahlwerk, eine Ge¬ 
wehrfabrik, ein Blech- und Zinnhaus, Fabriken für Draht, Senfen 
mtd Futterklingen. 
Hebung des Handels und Verkehrs. Nicht minder thätig war 
der große Kurfürst zur Hebnug des Handels und Verkehrs. Um den 
vielseitigen Erzeugnissen der Gewerbe im In- und Auslande flotten 
Absatz zu verschaffe», mußte für bequeme Verkehrswege gesorgt 
werden. Die meisten Landstraßen befanden sich aber in erbärmlichem 
Zustande; hatte anhaltender Regen die Wege aufgeweicht, so versanken 
die Räder im Schlamm. Darum ließ er Straßen und Brücken 
verbessern und neu aulegen. Höchst wichtig zur Förderung des Handels 
war die Einführung der brau den burgischen Staatspost, wodurch 
die weit getrennten Teile seines Reiches verbunden wurden. Die Haupt¬ 
linie der Post führte von Königsberg über Berlin nach Kleve; in diese 
3) Durch das Potsdamer Edikt vom 29. Oktober 1685 forderte der gr. K. 
alle aus Frankreich flüchtenden Reformierten, die Hugenotten, aus, in seinem 
Lande Zuflucht zu suchen. 
2) Als die Zünfte den neuen „Handwerkern Hindernisse in den Weg legten, 
suchte der gr. K. eine entsprechende Änderung des „Zunftwesens" herbeizuführen 
durch eine „allgemeine Handwerksordnung", welche über Lehrzeit, Wanderzeit und 
Meisterstück Satzungen enthielt. Weil der Gewerbebetrieb Vorrecht der Städte 
bleiben sollte, durften auf dem Lande nur die unumgänglich notwendigen Hand¬ 
werker, wie Schneider, Schmiede, Böttcher 2c., wohnen.
	        
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