Full text: Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts

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Bromberg z. B. war nur noch Schutt und Ruinen. Von den 40 Häusern 
des Marktplatzes in Kulm hatten 28 keine Thüren, keine Dächer, keine Fenster 
unb keine Eigentümer. 
Das Landvolk lebte in ganz jämmerlichen Zuständen. Die Woh- 
nungen bestanden in Lehmhütten, die mit Stroh gedeckt waren. Stuben¬ 
öfen'kannte man nicht; selten wurde ein Licht angezündet, nurj>r 
Kienspan erhellte das Dunkel der langen Winterabende. Brot war die 
Speise der Reichen; viele hatten in ihrem Leben noch nie einen solchen 
Leckerbissen gegessen. Brei ans Roggenmehl, Kräuter, Heringe und 
Branntwein bildeten ihre karge Nahrung. Dort hörte man kein Lied, 
keine Musik erschallen; in tierischer Stumpfheit lebten die Bewohner 
dahin. Auch die Landedellente unterschieden sich kaum von den Bauern. 
Handwerker traf man selten. Wer einen neuen Rock nötig hatte, 
mußte selbst die Nadel zur Hand nehmen, denn meilenweit war kein 
Schneider zu finden. Wer ein Haus bauen wollte, mußte sehen, wie 
er von Westen her Bauhandwerker bekam. Arzt und Apotheke kannte 
man uicht. Wer einen Brief befördern wollte, schickte einen besonderen 
Boten, denn es gab keine Post im Lande; die wenigsten Bewohner 
konnten aber auch „schreiben und lesen. Von Rechtspflege konnte man 
kaum sprechen. Über Bürger und Bauersmann verhängte der Edel¬ 
mann ganz nach Willkür die härtesten Strafen. 
In großartiger Weise begann Friedrich sofort die Kultur dieses 
Landes. 
„Gerabe bie verrotteten Zustänbe bes Lanbes waren reizvoll für Friebrich; 
Westpreußen würbe, wie bis bahin Schlesien, fein Schmerzenskinb, bas er mit 
nnenblicher Sorgfalt wie eine treue Mutter wusch, bürstete unb neu kleidete, 
zu Schule und Ordnung zwang und immer im Auge behielt." 
Die tüchtigsten Beamten schickte er dorthin, um Ordnung 
und Besserung zu schaffen. Die Landschaften wurden in Kreise ge¬ 
teilt ; jeder Kreis erhielt einen Landrat, ein Gericht, Post und Gesund¬ 
heitspolizei. Kirchen und Schulen entstanden, 187 Lehrer kamen 
ins Land. 1400 deutsche Familien ließ der König ansiedeln. 
Diese bebauten teils als tüchtige Landwirte den Boden, teils brachten 
sie als geschickte Handwerker das Gewerbe in Blüte. In kurzer Zeit 
waren die Städte neu mit Menschen besetzt, Straße auf Straße erhob 
sich aus den Trümmerhaufen. Aus halbwilden Geschöpfen schuf 
Friedrich auf solche Weise allmählich nützliche Bürger seines Staates. 
Unterstützungssumme. Die Summe, welche der König den Not¬ 
leidenden seines Landes nach und nach schenkte, wird auf 72 Mill. 
Mark berechnet. Immer dachte er zuerst an den Vorteil des Volkes, 
dann an sich selbst. „Da Preußen arm ist," sagte er, „muß der 
Regent dieses Landes sparsam sein." Von den 1200000 Thalern, 
die für seinen eigenen Gebrauch jährlich bestimmt waren, verwandte er 
die Million zur Verbesserung des Landes. Schnell lebte das Land 
nach dem furchtbaren Kriege wieder auf. 
3. Sorge für Ansiedelung und Urbarmachung. 
Ansiedelung. Um den großen Verlust an Menschen zu decken, 
ergingen Einladungen zur Einwanderung. Schon gleich bei seinem
	        
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