Full text: Ferdinand Hirts historische Bildertafeln

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Bogen 13. Altchristliche Zeit. 
Das Christentum, welches allmählich das ganze römische 
Reich durchdrang, war weder bestimmt noch geeignet, für die 
äusseren Formen des antiken Lebens eingreifende Änderungen 
herbeizuführen. Und so unterschied sich auch die Tracht der 
alten Christen, welche höchstens ein Erkennungszeichen — in 
Gestalt des Kreuzes wie der Fossor oder Totengräber der Kata¬ 
komben auf Abbildung 8 —, aber selbst dieses kaum in der Öffent¬ 
lichkeit trugen, nicht von der gemeinüblichen. Sie bestand für 
die männlichen Römer zumeist aus einem weiten, herabfallenden 
Untergewand mit langen Ärmeln (Tunica, beziehentlich Dalmatica) 
und aus einem mantelartigen Überwurf nach griechischem Muster, 
der seit dem Ende der Republik immer beliebter geworden war. 
Mit dem Überhandnehmen germanischer Bevölkerung aber über¬ 
trug sich die kurze, knappe Kleidung derselben auf die niederen 
Stände des Reiches. Nur den vornehmen Ständen, den Beamten 
und vor allem dem Klerus verblieb die lange, römische Gewandung 
als Staatskleidung. Besonderer Art war die reichverzierte, dem 
Triumphalornat des alten Rom nachgebildete Amtstracht der 
späteren Konsuln, deren Würde seit 567 mit der kaiserlichen 
verbunden blieb. Das Hauptstück (Abbildung 7) bildete ein 
purpurner, goldgestickter Umwurf, worüber eine ebenfalls gestickte 
Schulterbinde oder Schärpe um den Nacken geworfen bis zu den 
Füssen herabhing; dazu trat ein elfenbeinernes Zepter mit einem 
Adler oder einem andern Zeichen auf der Spitze, die in der Hand 
getragene, taschentuchartige Mappa oder Mappula, der reichge¬ 
schmückte Amtssessel oder Sella curulis. 
Sehen wir davon ab, dass der Gebrauch langer Beinkleider 
im Heere, aus dem er in die niederen Stände überging, aus prak¬ 
tischen Gründen sich schon lange geltend gemacht hatte, so war 
die alte Tracht der Krieger noch im 5. Jahrhundert n. Chr. 
wenig verändert, wie Abbildung 2 beweist. Aetius (f 454) er¬ 
scheint hier in dem kurzen, jetzt langärmeligen Untergewand 
(Tunica) und dem Feldherrnmantel, welcher nur in Umfang, Farbe 
u. s. w. von dem gewöhnlichen Soldatenmantel (Sagum) abwich. 
Auch die Art der Rüstung war wesentlich dieselbe geblieben und 
blieb in Byzanz noch lange der älteren, römischen conform. Eine 
sehr späte Zeit betrifft Abbildung 1, welche den Kaiser Basilius II. 
(976—1025) gewappnet darstellt. Sie zeigt starke Einwirkung 
orientalischen Einflusses in dem aus Blättchen gebildeten Harnisch, 
unter welchem eine schön durchwirkte Tunika herabfällt, in den 
langen Beinkleidern und den darübergezogenen, mit Perlen be¬ 
nähten Stulpstiefeln. 
Das Gegenstück auf der zeitgenössischen Elfenbeinschnitzerei, 
von welcher das Bild des Aetius herrührt, ist die Darstellung 
der Placidia (f 450) samt ihres unmündigen Sohnes Valentinian III. 
(regierte in Westrom 425—455), für welchen die Mutter lange 
die Regentschaft führte. Es geht daraus hervor, dass damals 
auch die Frauentracht nur geringe Unterschiede gegen früher 
aufwies, d. h. sie bestand aus dem Untergewand (Dalmatica), das 
dem der Männer gleich war, einem langwallenden Überziehkleid 
und einem Umwurf (Abbildung 3). Der kaiserliche Knabe trägt 
von dem üblichen, später immer prunkvoller werdenden Kaiser¬ 
ornat den purpurnen Schultermantel, den auf der rechten Achsel 
eine kostbare Spange hielt. 
Ebensowenig wie die ältesten Christengemeinden nach aussen 
hin sich kennzeichneten, war ursprünglich für den kultlichen 
Zweck eine liturgische Kleidung vorgeschrieben. Erst in den 
Jahren etwa zwischen 400 und 800 sonderte sich das Sakral¬ 
kleid mehr und mehr von der profanen Tracht, indem die römische 
lange Gewandung auf die Amts- und Staatskleidung sich be¬ 
schränkte und besonders von dem Klerus festgehalten wurde. 
Den Ornat eines byzantinischen Bischofs des 6. Jahrhundert ver¬ 
anschaulicht ein Mosaikbild der Sophienkirche (Abbildung 4), 
welche unter Kaiser Justininan (f 565) ihre Vollendung fand. 
Seine Teile — sämtlich von weisser Farbe— waren das lange Unter¬ 
gewand (Tunica talaris), der glockenförmige Überwurf oder Mantel 
(Pänula oder Planeta), der nur eine Öffnung für den Kopf hatte, 
und die mit purpurner Umwandung, sowie Kreuzen geschmückte 
Schulterbinde, deren Gebrauch als eine Übertragung der von den 
Konsuln (siehe oben) geführten Binde zu betrachten ist. Diese 
Bekleidung der byzantinischen Bischöfe erfuhr darnach noch 
manche kleinere Veränderungen. Sie treten hervor auf Abbildung 5 
(heil. Germanus, Patriarch von Konstantinopel 715—730) und 
Abbildung 6 (heil. Methodius, Patriarch von Konstantinopel, 
t 847); man trug z. B. noch eine kürzere Tunica, die bei 
No. 6 zufällig fehlt, sodann eine zweite Schulterbinde, welche als 
ein längeres riemenartiges Band zwischen den zwei Tunicen so tief 
herabhing, dass es mit beiden Enden hervorragte, (es wird in der 
abendländischen Kirche zwischen diesen Binden ein sehr grosser 
Unterschied gemacht), ferner an der rechten Seite eine viereckige, 
steife, bequastete Tasche u. s. w. Im übrigen ist der Leuchter 
mit 3 Lichtern als Sinnbild der Dreieinigkeit, der mit 2 Lichtern 
als Sinnblid der zwei Naturen, die in Christo vorhanden, zu deuten. 
Von liturgischen Gelassen der älteren Kirche ist auf uns 
ein goldener Abendmahlskelch und eine Patena d. i. Schüssel für 
das heilige Mahl gekommen, die man zusammen mit Münzen der 
oströmischen Kaiser Anastasius (491—518) und Justin (518 bis 
527) in Frankreich fand. Reiche Verzierungen und Edelsteine 
schmücken beide Stücke (Abbildung 10). Für den Kultus besass 
grosse Wichtigkeit der Dienst der Heiligen und die Verehrung 
ihrer Überbleibsel, der Reliquien, deren Behälter oder Schreine 
man besonders in der Form von kleinen Koffern nach Art der 
ältesten Sarkophage gestaltete. Abbildung 13 gibt eine byzan¬ 
tinische Elfenbeinschnitzerei aus dem 5.oder 6. Jahrhundert wieder 
welche die Vorderseite eines Reliquienkästchens gebildet zu haben 
scheint und die feierliche Einbringung eines solchen darstellt. 
Dasselbe halten zwei Geistliche, die in einem Wagen herankommen; 
Personen mit Kerzen in den Händen gehen voran; den Hinter¬ 
grund bildet ein grosses Gebäude, dessen Fenster von Zuschauern 
besetzt sind. Etwa aus der nämlichen Zeit kann die jetzige 
Gestalt des Schmuckwerks an der sogenannten cathedra Petri 
(Abbildung 9), des Sessels herrühren, dessen sich nach römischer 
Tradition der Apostel Petrus bedient haben soll. Ein Sessel 
gehörte nämlich zu den Insignien der römischen Beamten 
und ging als Attribut auch auf die geistlichen Würdenträger über. 
Jener Thron, der in der vatikanischen Basilica zu Rom sich be¬ 
findet, besteht aus Holz; Vorder- und Rückseite bedecken orna¬ 
mentierte Elfenbeinplatten; die seitlich angebrachten Ringe 
dienten dazu, ihn auf durchgeschobenen Stangen erheben und mit 
dem Inhaber tragen zu können. 
Als eine religiöse Verrichtung ward auch die Bestattung 
der Toten von den Christen angesehen, gleichwie sie schon dem 
ganzen Altertum als heilige Pflicht gegolten hatte. Von den 
üblichen Bestattungsarten, Verbrennung oder Beerdigung, war 
letztere in den italischen Städten seit dem Ende der römischen 
Republik fast vollständig verdrängt worden, während die junge 
Kirche sich gerade diesen Modus aneignete. Dabei scheint die 
anfängliche Continuität mit dem die Beerdigung übenden Juden¬ 
tum, der Glaube an die Auferstehung des Fleisches u. s. w. 
bestimmend gewirkt zu haben. Für das Begräbnis der Toten 
pflegte man seit uralter Zeit unterirdische Kammern in die Seiten 
von Schluchten oder in Bergabhänge einzuschlagen oder wenn 
das Terrain hierzu nicht günstige Bedingungen bot, von der 
ebenen Fläche in die Tiefe zu steigen. Die einfachsten dieser 
Anlagen hatten die Gestalt eines viereckigen, in mässigen Dimen¬ 
sionen gehalten Zimmers, in dessen Seitenwänden die Gräber als 
Nischen eingeschnitten sind; sie konnten jedoch durch Seiten¬ 
kammern oder darunter ausgegrabene Stockwerke erweitert werden. 
Waren nun aber die heidnischen Grabstätten solcher Art ihrem 
allgemeinen Charakter nach nur Familiengräber, so machte die 
Kirche daraus einen Gemeindefi iedhof als gemeinsame Grab- 
sätte aller ihrer Angehörigen. Die praktische Durchführung 
dieses Prinzipes bewirkte, dass man die vorgefundenen Formen 
unterirdischer Grabanlagen veränderte, zur Errichtung langge¬ 
streckter, neben- und übereinander gesetzter Gallerien verschritt 
und zu einer originalen Ausbildung der Details gelangte, dass 
ganz eigenartige Totenstädte der Christen unter der Erde ent¬ 
standen. 
Das sind die Katakomben, wie man sie vielfach im Morgen- 
und Abendland aufgefunden hat. Besonders zahlreich werden sie 
in Rom angetroffen, wo es im 3. Jahrhundert zwanzig bis dreissig 
Pfarreien gab, und jede derselben einen derartigen Friedhof besass. 
Abbildung 14 gewährt eine Anschauung von der Art der Kata¬ 
komben und ihres malerischen Schmuckes. Neuer christlicher 
Inhalt füllt langsam und allmählich die Formen der antiken Kunst. 
Nicht selten unter den angebrachten Bildern ist die Darstellung 
von Fossores oder Totengräbern (Abbildung 8 zeigt einen solchen 
mit seinen Werkzeugen und mit der nötigen Lampe in der linken 
Hand), welche mit der Herrichtung und Verwaltung der Kata¬ 
komben betraut waren. Im Gebrauch blieben letztere in Rom bis 
zum Anfang des 5. Jahrhunderts, nachdem schon seit Konstantin 
daselbst mit der Anlage oberirdischer Grabstätten begonnen war. 
Die Katakomben dienten auch zu gottesdienstlichen Ver¬ 
sammlungen, wofür es grössere, in den Decken mit Lichtöffnungen 
versehene Räume gab. Zur Errichtung eigener Gotteshäuser ver- 
schritten die Christen erst dann, als der neue Glaube äusserlich 
höhere Sicherheit des Bestandes und der Gottesdienst festere 
Formen gewonnen hatte. Indem man nun stets den Gegensatz zu 
dem Heidentum und seinen Kultusstätten zur Geltung zu bringen 
suchte, so erhielten die christlichen Kirchen eine von den alten 
Tempeln abweichende Form auch schon deswegen, weil sie als Bet- 
und Versammlungshäuser der Gläubigen einem ganz andern Zweck 
dienen sollten. Im vierten Jahrhundert scheinen die kirchlichen 
Anlagen ein bestimmtes Gepräge erhalten zu haben. Es ist der 
Basilicastil und zwar in Nachahmung der alten Basilica- d. i. 
der Hallenbauten, deren es zur Aufnahme einer grösseren 
Menschenzahl im kaiserlichen Palaste und in den Gebäuden der 
römischen Grossen gab. Es kann aber dabei nur von einer Ent- 
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