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Vierter Abschnitt.
Kitter und Sürger.
1. Eine Ritterburg.
Den Wanderer, der auf fröhlicher Fahrt durch Frankens Gaue zieht,
grüßen von den Höhen hernieder uralte Denkmale vergangener Jahrhun¬
derte, wahrhaftige „steinalte" Greise inmitten jugendfrischer Auen und
blühender Ortschaften. Über ihr Gemäuer, das grau und verwittert
in die Lüfte ragt, klettert der (£feu, durch die leeren Fensterhöhlen pfeift
der Sturm, in den Böfen wohnt der Wald. Und Jahr um Jahr schafft
die Zeit, die nimmerrastende, um sie der Erde gleich zu machen. Langsam
zwar, aber stetig, gehen sie ihrem Untergange entgegen, wenn nicht der
Mensch der Zerstörung Einhalt gebietet. Er dürfte es tun, denn die alten
Gesellen haben es verdient. Sind sie es doch, die uns berichten aus anderen
Tagen, von anderem Tun, von Menschengeschicken, vom Wechsel der
Zeiten. Geschlechter sahen sie kommen und in die Gräber sinken, sie sahen
Freude und Frohsinn und Leid und Elend und Not. Stumm standen sie
dabei, stumm stehen sie heute noch. Und doch webt in ihren winkeln
ein leises Geflüster und schlingt sich um die Trümmer Bewegung und
Leben: das blühende Leben von Geschichte und Sage. So laßt uns denn
im Geiste unsere Schritte zu den Ruinen einer der größten fränkischen
Ritterburgen lenken um zu fragen: welche Kunde ward uns aus ihren
dahingeschwundenen Zeiten? —
Burg Wertheim am Main.
Schon in den Tagen der Karolinger litt unser Vaterland unter den
verheerenden Einfällen fremder Völker. Mit den zerstreuten Hütten der
Deutschen aus schwachem Fachwerk hatten die Eindringlinge geringe
Arbeit; leicht war der hölzerne Zaun um die Siedelung durchbrochen
und bald loderten die Flammen aus dem Heim der Überfallenen. Dieser
Umstand veranlaßte reichere Leute, adelige Herren, feste Häuser aus Stein
zu errichten aus steilen Bergen, auf Inseln oder in Sümpfen, also an
Orten, deren natürliche Lage schon Schutz gegen die allzu leichte Annähe¬
rung von Feinden bot.
Graf Wolfram I. von wertheim wohnte in seinem Hause am Main-
user nicht sicher und ruhig, denn durch das Tal hinauf und hinunter
zogen öfters Feinde. Er erbaute darum eine Wohnung auf dem Berge.
Wohl um uoo erstand ein hoher, aus Quadern gefügter, spitzdachiger
Turm, der Bergfried geheißen. Vor dem Turme befand sich ein aus
Pfählen aufgeführter Zaun. Neben dem Bergfried stand das Wohngebäude.
Eine gewaltige künstliche Schlucht trennte das Burggelände vom oberen
Eichelsbacher, Bilder aus Frankens Vergangenheit. 5