und Treiben der Menschen.
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32. Deutsche Redlichkeit.
In einem Dorfe des Kantons Schwyz kam einst an einem Abend
der Bauer Velten zum Bauer Kaspar, welcher auf seinem Felde arbei¬
tete, und sagte: „Nachbar, jetzt ist die Heuernte, und du weißt, daß
wir einen Streit wegen einer Wiese haben! Ich habe die Richter zu¬
sammenrufen lasten, weil wir beide nicht gelehrt genug sind, um zu
wissen, wer von uns beiden recht hat. Koinm also morgen mit mir
vor Gericht!" — „Du siehst, Nachbar, daß ich die Wiese gemäht habe,
und morgen muß ich, weil jetzt gutes Wetter ist, das Heu in Haufen
bringen; ich kann also unmöglich mitgehen!" — „Und ich kann die
Richter nicht wieder gehen lassen, da sie diesen Tag gewählt haben; auch
kann das Heu nicht eher abgeholt werden, als bis wir wissen, wem die
Wiese gehört." Nach einigem Besinnen sagte Kaspar: „Weißt du,
wie wir es machen wollen? Geh morgen nach Schwyz und sage den
Richtern deine und meine Gründe, so brauche ich ja nicht dabei zu sein."
— „Wenn du das Zutrauen zu mir hast, so kannst du dich darauf ver¬
lassen, daß ich für dein Recht reden will, wie für mein eigenes." Nach
dieser Abrede ging Velten den folgenden Tag nach Schwyz und trug
seine und Kaspars Gründe vor, so gut er konnte. Am Abend kam er
wieder zu Kaspar und sagte: „Die Wiese ist dein, die Richter haben
sie dir zugesprochen; ich wünsche dir Glück und bin froh, daß wir init
dem Streit aufs reine gekommen sind."
33. Die Sonne bringt es an den Tag.
Gemächlich in der Werkstatt sass
zum Frühtrunk Meister Nikolas;
die junge Hausfrau schenkt’ ihm ein,
es war im heitern Sonnenschein. —
Die Sonne bringt es an den Tag.
Die Sonne blinkt von der Schale Rand,
malt zitternde Kringel an die Wand;
und wie den Schein er ins Auge fasst,
so spricht er für sich, indem er erblasst:
„Du bringst es doch nicht an den Tag!“
„Wer nicht? was nicht?“ die Frau fragt gleich;
„was stierst du so an? was wirst du so bleich?“