Einleitung.
Die hohenzollernschen Herrscher bis $um Grohen Kurfürsten.
I. Gänsen, Schilderungen aus der Geschichte und Kulturgeschichte. 2te Aufl.
Düsseldorf o. I.
Nur zu sehr berechtigt ist die Klage, daß unser Volk in der Geschichte
seiner eigenen Vergangenheit gar wenig erfahren, und daß deshalb auch für
manches Gebiet unseres heutigen Staatslebens ein richtiges Verständnis nicht
zu finden ist. Wie des deutschen Reiches erster Kanzler Fürst Bismarck einmal
ausgesprochen hat, so liegt eine der schwächsten Seiten unserer öffentlichen Zu¬
stände darin, daß die Masse unseres Volkes ganz und gar das Bewußtsein des
Zusammenhanges unserer politischen Gegenwart mit unserer politischen Vergangen¬
heit verloren hat. Man könnte noch mehr sagen, man könnte hinzufügen, daß
eine große Gesahr darin gegeben ist, wenn der Vaterlandsliebe der nährende
Boden, der doch nur in der richtigen Auffassung unseres geschichtlichen Fort¬
schrittes gefunden werden kann, gänzlich fehlt. Denn wohl können glänzend
große Epochen mit ihren ruhmvollen Thaten für eine Zeit lang die Gemüter
der Zeitgenossen alle mit einer gewissen Begeisterung erfassen; aber wie bald
muß biefe Begeisterung wieber verrauchen, wenn ihr nicht innere Überzeugung
Kraft giebt; unb biefe kann boch nur erworben werben burch bas Verstänbnis
ber Vergangenheit unb ihres Zusammenhanges mit bem heutigen geschichtlichen
Leben unseres Vaterlandes. Dies Vaterland ist heute das deutsche Land. Noch
nicht gar so lange ist es her, daß wir uns bescheiden mußten zu sagen, unser
Vaterland ist Preußen. Wenn wir nun heute mit berechtigtem Stolze von
einem deutschen Volke im deutschen Vaterland reden können, so verdanken wir
das doch einzig und allein dem preußischen Staate. Seit Jahrhunderten schon
fanden bei diesem und nur bei ihm die deutschen Interessen ihre entschiedene
Vertretung; das Schicksal Deutschlands hat sich seit ebenso langer Zeit stets nur
in engster Verbindung mit der Entwickelung des preußischen Staates vollzogen.
Wer daher sich ein richtiges Urteil über unsere heutigen Verhältnisse bilden
Meyer, Hohenzollernbuch. I. Bd. \