Full text: Das Deutsche Reich unter den sächsischen, den fränkischen und den hohenstaufischen Kaisern (Bd. 5)

Anhang. 
Gedichte geschichtlichen Inhalts. 
Otto I. und Heinrich, von Mühl er. 
Zu Quedlinburg im Dome ertönet Glockenklang; 
Der Orgel Stimmen brausen zum ernsten Chorgesang. 
Es sitzt der Kaiser drinnen mit feiner Ritter Macht, 
Voll Andacht zu begehen die heil'ge Weihenacht. 
Hoch ragt er in dem Kreise, von männlicher Gestalt, 
Das Auge scharf wie Blitze, von goldnem Haar umwallt: 
Man hat ihn nicht zum Scherze den Löwen nur genannt, 
Schon mancher hat empfunden die lowenstarke Hand. 
Wohl ist auch jetzt vom Siege er wieder heimgekehrt! 
Doch nicht des Reiches Feinden hat mächtig er gewehrt: 
Es ist der eigne Bruder, den feine Waffe schlug, 
Der dreimal der Empörung blutrotes Banner trug. 
Jetzt schweift er durch die Lande, geächtet, flüchtig hin; 
Das will dem edlen Kaiser gar schmerzlich in den Sinn; 
Er hat die schlimme Fehde oft bitter schon beweint:_ 
„O Heinrich, du mein Bruder, was bist du mir so feind!" 
Zu Quedlinburg vorn Dorne ertönt die Mitternacht; 
Vom Priester wird das Opfer der Messe dargebracht; 
Es beugen sich die Kniee, es beugt sich jedes Herz, 
Gebet in heil'ger Stunde steigt brünstig himmelwärts. 
Da öffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein, 
Es hüllt die starken Glieder ein Büßerhemde ein. 
Er schreitet auf den Kaiser, er wirft sich vor ihm hin, 
Die Knie' er ihm ums aff et mit tiefgebeugtem Sinn. 
„SD Bruder! Meine Fehle, sie lasten schwer auf mir! 
Hier liege ich zu Füßen, Verzeihung flehend, dir; 
Was ich mit Blut gesündigt, die Gnade macht es rein; 
Vergieb, o strenger Kaiser, vergieb, du Bruder mein!" 
Doch strenge blickt der Kaiser den fünd’gen Bruder an: 
„Zweimal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortan! 
Die Acht ist ausgesprochen, das Leben dir geraubt; 
Nach dreier Tage Wechsel, da fällt dein schuldig Haupt!"
	        
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