216 Fünftes Kap. Geschichte der Kreuzzüge. 
seyn. Nicht minder könnte die Aufzählung der Wirkungen, welche die Kreuz- 
züge für die einzelnen Nationen oder Reiche, in politischer, merkantiler, 
kirchlicher u. a. Rücksicht hatten, ein anziehendes Gemälde werden. Aber der 
Leser mag sich dasselbe aus dem, was davon in den verschiedenen Volks¬ 
geschichten flüchtig bemerkt worden, selbst entwerfen. Auch das Verhältniß 
der Chevalerie zu den Kreuzzügen, als von welchen vorzüglich die Bekräf¬ 
tigung und Veredlung des Nitterthums ausging, ist an gehörigem Orte be¬ 
leuchtet (HI. Absch. I. Kap. §. 3). Wir wollen hier nnr noch eine Wir¬ 
kung jener Züge darstellen, welche uns wichtiger, auch erfreulicher, als alle 
anderen däucht — ihren Einfluß nämlich auf die Fortschritte der Freiheit. 
Die Kreuzzüge an und für sich — als meist vom freien Entschluß der 
Theilnehmer, auch der untergeordneten, abhängig — sind eine Sphäre freier 
Thätigkeit gewesen, demnach geeignet, durch den Genuß und die Erhebung, 
die sie dem Gemüthe gaben, Freiheitslust und Frciheitsstolz zu erzeugen oder 
zu erhöhen. 
Auch die Natur des Zweckes, worauf sie gerichtet waren, ermuthigte 
zu Frciheitsgedankcn, und demüthigte den Stolz der Herren. Vor Gott, zu 
dessen Ehre man in dem heiligen Kriege stritt, ist der Geringste und Aermste 
dem Größten gleich. Allen Kämpfern Christi winkte ein und dasselbe Ziel, 
war ein und derselbe Lohn verheißen: nur Tugend, Eifer und Frömmigkeit, 
nicht Reichthum und Macht mögen Anspruch auf Vorrang im Dienste des 
Erlösers geben, und überall wird der Dcmüthigste der Gottgefälligste seyn. 
In solchem Geiste weigerte sich Gottfried von Bouillon, eine Königs¬ 
krone an der Stätte zu tragen, wo der Heiland eine Dornenkrone trug; von 
solchen Ideen erfüllt, übten die edelsten Ritter die Pflege gemeiner Kranken 
und Leidenden, und erkannten Fürsten und Herren die Verpflichtung zu einer 
leutseligen Behandlung ihrer Mitchristcn. Ob auch die Stimme der Selbst¬ 
sucht, der Leidenschaft und alter Gewohnheit oftmals die Lehren der Religion 
übertönte —• dennoch blieben diese bei Vielen wirksam; und es waren die 
Lager der Kreuzfahrer natürliche — ja selbst gefezliche — Freistätten vor 
Unterdrückung und Sklaverei. 
Daher drängten sich auch die Bedrückten aller Art unter die heilige 
Fahne, und die Furcht, seine Leibeigenen oder hörigen Leute durch solche 
zu verlieren, hielt die Herren auch in Europa vom Mißbrauch ihrer 
Rechte ab.
	        
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