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Dritter Zeitraum. Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum.
Der erste Kreuzzug. Ehe noch die Fürsten mit den Rüstungen
zum Zuge fertig waren, machten sich untergeordnete Scharen schlecht
bewaffneter Leute unter Führung Peters von Amiens, eines Ritters
Walter von Habenichts und anderer nach Konstantinopel auf den Weg.
Viele von ihnen kamen infolge eigener Zügellosigkeit und mangelnder
Verpflegung mit; der Rest wurde bis auf wenige, zu denen Peter von
Amiens gehörte, von den Türken in Kleinasien niedergemacht.
Im Frühjahr 1096 brach das große Kreuzheer, gegen 300000
Menschen, auf und zog auf verschiedenen Wegen nach Konstantinopel.
An der Spitze desselben stand der päpstliche Legat (Bevollmächtigte),
der Bischos Adhemar von Pup1); die hervorragendsten weltlichen
Fürsten waren Gottfried von Bouillon und sein Bruder Balduin,
Robert von Flandern, Robert von der Normandie, Raimund
von Toulouse, Boemund von Tarent, ein Sohn, und Tankred,
ein Schwestersohn Robert Guiskards. Die Griechen setzten die Kreuz¬
fahrer nach Kleinasien über. Nach längerer Belagerung fiel Nicäa-,
doch ergab es sich lieber den Griechen als den Kreuzfahrern. Immer
weiter südostwarts durch Kleinasien ziehend, schlug das Kreuzheer die
Türken bei Donjläuiu-) und gelangte endlich nach Syrien. Während
Balduin die Stadt Edessa am obern Euphrat in Besitz nahm und
sich hier eine Herrschaft gründete, belagerte das Hauptheer Antiochia
am Orontes. Antiochia fiel nach längerer Belagerung und wurde
dem Normannen Boemund übergeben, dem man vornehmlich die Ein¬
nahme der Stadt zu verdanken hatte. Nur noch 20000 Mann stark
war das Kreuzheer, als es vor Jerusalem anlangte. Die heilige
Stadt wurde nach sechswöchentlicher Belagerung und zweitägiger Be-
1099 rennung an: 15. Juli 1099 erstürmt; die ganze Besatzung und Be¬
völkerung wurde hin gewürgt. Gottfried von Bouillon erhielt die Herr¬
schaft über Jerusalem; er nannte sich nur Beschützer des heiligen
Grabes. Erst seine Nachfolger, deren erster sein Bruder Balduin
wurde, führten den Titel Könige von Jerusalem. Die Fürsten
von Edessa, von Antiochia und andere wurden Vasallen der Könige
von Jerusalem. So wurde mitten unter den Mohammedanern ein
christliches Reich nach abendländischem Muster gegründet; doch konnte
sich dasselbe unter den Angriffen der Türken und Araber nur durch
fortdauernden Zuzug aus dem Abendlande behaupten. Insbesondere
machten sich die geistlichen Ritterorden den Kamps gegen die Un¬
gläubigen zur Pflicht. Solcher Orden entstanden im 12. Jahrhundert
drei: der Johanniterorden, der Templerorden und der Deutsche Ritter¬
orden, von denen der letzte später eine ganz besonders hohe Bedeutung
gewonnen hat.
1) Puy liegt an der ob ent Loire, nahe ihrer Quelle.
2) Nicäa liegt südöstlich von der Propontis, weiter südöstlich Doryläum.