Full text: Griechische Geschichte, römische Geschichte bis zum Ende der Republik (Teil 1 = Klasse 4)

XV. Im Zeichen des politischen Niederganges. 51 
Athen ein furchtbares Geschick. In der überfüllten Stadt brach die 
Pest aus und raffte Tausende dahin. Ergreifend hat uns der Ge¬ 
schichtsschreiber Thucydides') aus eigener Anschauung die Not 
der Peftjahre geschildert. Auch Perikles erlag der Seuche. Mit ihm 
sank ein Staatsmann von reicher Erfahrung und Klugheit dahin, und 
es war ein Anglück für Athen, daß niemand da war, den großen 
Mann zu ersetzen und die Massen zu zügeln. 
Vielmehr übten nun ehrgeizige und redegewandte Demagogen 
den größten Einfluß auf die Volksversammlung aus. Gestützt auf die 
urteilslosen Massen, wußten sie ihre Pläne oft zum namenlosen 
Unheil des Vaterlandes durchzusetzen. Umgekehrt gaben sie dann 
wieder den Launen der großen Masse nur allzuoft nach. Es fehlte 
ihnen die staatsmännische Festigkeit und Leitungskunst des Perikles. 
Solche Demagogen waren der Gerbereibesitzer Kleon und der geist¬ 
volle, aber maßlos eitle Adelssproß Alcibiades, den auch des 
Sokrates Umgang nicht zur Selbstbeherrschung zu führen vermochte. 
Auf des Alcibiades Rat eröffnete Athen nach vorübergehendem 
Frieden den Krieg noch einmal und stürzte sich leichtfertig in einen 
Kampf gegen das dorische Syrakus. Dieser Versuch,.einer Gro߬ 
machtpolitik auch nach Westen hin, der mit völliger Überspannung 
der verfügbaren Kräfte unternommen wurde, endigte mit der gänz¬ 
lichen Vernichtung der Flotte. Nun holte Sparta im Bunde 
mit Persien zu den letzten Schlägen aus. Alcibiades selbst, der 
in seiner politischen Haltlosigkeit zu den Gegnern übergegangen war, 
dann wieder Athens Sache verfocht, half feine Vaterstadt mit ver¬ 
derben. Nach einigen Erfolgen wurde die letzte athenische Flotte am 
Lellespont vernichtet. Athen selbst ergab sich den Belagerern, als 
Hungersnot drohte. Den Rest der Schiffe mußte die einstige Beherrscherin 
der See ausliefern. Der Bund wurde aufgelöst, die Mauern Athens 
wurden geschleift und die Demokratie vorübergehend beseitigt. So 
endigte der Bruderkrieg 404 mit dem Siege des aristokratischen Sparta, 
das nun Athens Erbe anzutreten versuchte. 
Von dieser schweren Niederlage hat sich Athen nie wieder erholt. 
Aber auch Spartas Führerrolle war bald ausgespielt. Es ist ein 
!) Thucydides nahm selbst eine Zeitlang am politischen Leben Athens 
teil. Er will der Geschichtsschreiber des politischen Dualismus in Lellas sein. 
Seine Ausgabe faßt er tiefer als Lerodot. Er will die Wahrheit erforschen, 
„darstellen wie es eigentlich gewesen ist" (Ranke). Die politische Macht ist ihm 
die Laupttriebfeder in der Geschichte. Das Walten göttlicher Mächte gehört 
nicht in den Bereich der Forschung. Zweck seines Werkes ist zu belehren. In 
ähnlichen politischen Lagen soll der Staatsmann ausjeiner Darstellung der 
Vergangenheit praktische Belehrung schöpfen können. So ist er der Begründer 
der pragmatischen Geschichtsschreibung.
	        
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