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Eines Abends, als der König nicht einschlafen konnte, klingelte er dem Pagen im 
Nebenzimmer. Da niemand erschien, so klingelte er noch einmal. Umsonst. Endlich 
stand er selbst auf, öffnete die Thür und fand seinen Pagen auf einem Stuhle ein¬ 
geschlafen. Er ging auf ihn zu und wollte ihn wecken, doch bemerkte er in diesem 
Augenblicke in der Rocktasche desselben ein beschriebenes Papier. Verwundert zog er 
es hervor und las. Es war ein Brief von der Mutter des Pagen, der ungefähr folgen¬ 
des enthielt: Sie danke ihrem Sohne für die Unterstützung, die er ihr übersandt und 
öie er sich von seinem Gehalte erspart habe. Gott werde ihn dafür belohnen, und er 
solle diesem stets so getreu wie seinem Könige ergeben sein, dann werde er Segen haben, 
und sein irdisches Glück werde ihm gewiß nicht fehlen. Der König ging leise in sein 
Zimmer zurück, holte eine Rolle mit Dukaten und steckte sie mit dem Briefe wieder in 
die_ Tasche des ruhig fortschluimuerndeu Edelknaben. Bald darauf klingelte er so stark, 
daß der Page erwachte. „Du hast wohl geschlafen?" fragte der König. Der Page 
stammelte eine halbe Entschuldigung und eiue halbe Bejahung her, fuhr in der Ber* 
wirrung mit der einen Hand in öie Tasche und ergriff betroffen öie Rolle Dukaten. 
Er zog sie hervor, warö blaß uiiö sah öe» König mit Thräne» in öeit Augen an, ohne 
ein Wort reden zu können. „Was ist dir?" fragte der König. „Ach, Ew. Majestät," 
erwiderte der Page, indem er vor ihm aus die Kniee fiel, „man will mich unglücklich 
machen; ich weiß von diesem Gelde nichts!" — „Ei!" sagte der König, „wem es Gott 
giebt, dem giebt er's im Schlafe. Schick s nur öenier Mutter, grüße sie und versichere 
ihr, daß ich für dich uud sie sorge» werde." 
Doch war der König trotz aller Güte auch streng gegen ferne Diener, 
besonders verlangte er von ihnen die größte Pünktlichkeit im Dienst. 
Auch seinen verdienstvollen Generalen hielt der König ganz besonders viel zu 
gute. Dein General Seydlitz, dessen Reiterei die Schlacht bei Roßbach vornehmlich 
entschieden hatte, sagte er einst bei einer Paraöe: „Mein lieber Seyöütz, ich öächte, 
Sein Regiment ritte viel länger als die übrige Kavallerie." „Ihre Majestät," er¬ 
widerte Seydlitz, „mein Regiment reitet heute noch so wie bei Roßbach." Der König 
veruiied es seitöem, Bemerkungen zu machen, öie den General hätten kränken können. 
— Besondere Ehre erwies der König auch dem alten Zielen; schon im Kriege hatte 
er überall die größte Rücksicht für ihn beobachtet. Als er einst mit den Grenadieren 
feiner Garde bis spät in die Nacht marschiert war, ließ er endlich Halt machen und 
Feuer anzünden. Er selbst wickelte sich in seinen blauen Feldurantel und setzte sich auf 
einige Kloben Holz zum Feuer, um ihn und neben ihm feine Grenaöiere. Nachher 
kam auch Ziele» miö setzte sich zum Könige ebenfalls auf einen Kloben Holz. Beiöe 
sehr uiüde, entschlummerten balö; öer König schlug jedoch öfters die Augen auf, und 
bemerkend, daß Zielen von feinem Sitze heruntergejunken war und ihm ein Grenadier 
ein anöeres Holzscheit unter den Kopf legte, sagte er leise: „Bravo, Grenadier, der alte 
Zielen ist müde!" Als bald darauf ein anderer Grenadier, halb im Schlafe, aufsprang, 
um sich beim Feuer feine Tabakspfeife anzuzünden, und dabei ans Unvorsichtigkeit an 
Zielens Fuß stieß, richtete sich Friedrich plötzlich empor uud sprach: „St, Grenadier, 
weckt mir den alten Zielen nicht auf, er ist sehr müde." Auch nach dem Kriege blieb 
Zielen in der Umgebung des König», der den alten Reitergeneral gern bei Hofe sah 
u»d ihn mit der größte» Schonung und Rücksichtnahme behandelte. Als er einst, ge¬ 
drückt von öer Bürde des Alters, an der königlichen Tafel eingeschlafen war, wollte 
ih» ei» Höfling wecken. Aber der König verhinderte es und sprach: „Laßt ihn schlafen, 
er hat genug für uns gewacht." Auch ließ er dem greisen Krieger bis zum letzten 
Augenblicke immer wieder Zeichen seiner großen Teilnahme zukommen. 
5. Friedrichs Mltct ttttb Lebensende. Friedrich der Große 
erfreute sich während seiner langen Regierungszeit der unveränderten Liebe 
seines Bolkes und der Bewunderung Europas. Allein sein äußeres Leben
	        
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